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Umwelt und Verkehr SBB schikaniert Sehbehinderte mit Tandem-Verbot

Blinde und Sehbehinderte sind auf Tandems angewiesen, um Fahrrad fahren zu können. Seit Juni 2015 erlaubt die SBB aber keine Tandems mehr in ihren Fernverkehrszügen (IC, ICN, IR, EC). Die Betroffenen fühlen sich diskriminiert.

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SBB schikaniert Sehbehinderte
aus Espresso vom 05.07.2016. Bild: zvg
abspielen. Laufzeit 5 Minuten.

Der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband SBV findet deutliche Worte. Generalsekretär Kannarath Meystre bezeichnet das Tandemverbot der SBB als Diskriminierung blinder und sehbehinderter Menschen.

Für sie bedeute das Tandem die einzige Form der Mobilität mit diesem Verkehrsmittel. Meystre erhofft sich Antworten von den Verantwortlichen der SBB und schliesst einen Gang vor Gericht nicht aus.

Gefährlicher Umsteigemarathon

Was es bedeutet, wenn blinde Radfahrerinnen und ihre Begleitung ihre Tandems nicht mehr in Fernverkehrszügen mitführen können, weiss Stephan Dütsch. Seine Frau ist blind, zusammen reisen sie seit 30 Jahren mit Bahn und Tandem.

Nun seien die geeigneten Zugverbindungen plötzlich nicht mehr möglich: «Wir reisten viele Male mit dem Tandem nach München, denn der Eurocity hat schöne Veloabteile. Neu müssten wir mit Regionalzügen in sechs Stunden von Winterthur nach München fahren und dabei vier Mal umsteigen. Das ist äusserst mühsam, wenn man bedenkt, dass es eine gute, direkte Verbindung gibt.»

Das Ein- und Aussteigen aus den Zügen ist für sehbehinderte Menschen ein gefährlicher Moment. Betroffene verstehen es daher nicht, dass die SBB ausgerechnet Sicherheits- und Platzüberlegungen ins Feld führt.

Ausgänge für den Notfall freihalten

Eine Begründung liefert die SBB nicht. Auf Anfrage des Konsumentenmagazins «Espresso» von Radio SRF 1 verweist die Bundesbahn lediglich auf ihre Bestimmungen: «Der Transport von Tandems, Liegevelos, Dreirädern und weiteren Velos länger als zwei Meter ist aus Platz- und Sicherheitsgründen in IR-, IC-, ICN- und EC-Zügen der SBB nicht möglich.»

Weiterhin erlaubt sind selbstverladene Tandems in den Regionalzügen und S-Bahnen. Beim Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband fragt man sich, warum die SBB ihr Tandemverbot auf den attraktiven Fernverkehrszügen so strikt umsetzt.

SBV-Generalsekretär Meystre verlangt von der SBB seit Monaten eine Begründung für diese Willkür: «Wir verstehen nicht, warum Tandems in gewissen Zügen erlaubt sind und in anderen nicht. Welche Sicherheitsnorm wird verletzt, wenn ein Zweirad etwas länger ist als ein anderes?»

Zuständig ist…

Auch der Bundesrat musste sich schon mit dem SBB-Tandemverbot befassen. Die Berner SP-Nationalrätin Nadine Masshardt wollte wissen, ob die Landesregierung ein solches Verbot als verhältnismässig erachte und ob sie sich bei der SBB für eine Lösung einsetze.

«Die SBB sind verantwortlich für die Sicherheit», beschied ihr der Bundesrat. Und weiter: «Sollten die SBB in Zukunft wieder über Züge mit geeigneter Innenraumaufteilung verfügen, müssten in diesen auch wieder Tandems und andere Spezialfahrräder transportiert werden.»

Dem Blinden- und Sehbehindertenverband ist jedoch aufgefallen, dass geeignete Veloabteile überall verkehren: «Es gibt sowohl im Regionalverkehr wie auch im Fernverkehr sehr geeignetes Wagenmaterial. Wollen die SBB blinde Tandemfahrer ausschliessen, obwohl gewisse Wagentypen den Selbstverlad von Tandems zulassen?»Die Antwort der SBB auf diese Frage steht noch aus.

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