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Bedingungen in Schlachthöfen Fleischskandal in Deutschland: Corona sorgt für Preisschub

Der Schlachthofskandal vom vergangenen Sommer lässt in Deutschland die Fleischpreise nach oben klettern.

Letzten Sommer sorgte ein Schlachthof des deutschen Fleischkonzerns Tönnies für Schlagzeilen: Der Betrieb musste schliessen, weil sich 1300 Mitarbeitende mit Corona infiziert haben.

Wohl nur diesem Umstand ist zu verdanken, dass auch anderes ans Tageslicht kam: Die miesen Arbeitsbedingungen und prekären Zustände in deutschen Schlachthöfen. Dabei sind sie eigentlich wenig überraschend: In Deutschland liefern sich die Discounter seit Jahrzehnten einen gnadenlosen Preiskampf.

Erbärmliche Arbeitsbedingungen

Die tiefen Preise gehen auf Kosten des Tierschutzes und auf die der Arbeitskräfte in den Schlachthöfen. Das verdeutlicht eine Reportage des Welschen Konsumentenmagazins «A bon entendeur» aus der Region Niedersachsen, einer Hochburg der deutschen Fleischindustrie.

Die Hälfte aller hier beschäftigten Arbeiter stammt aus Polen oder Rumänien. Sie werden nicht vom Schlachthof angeheuert, sondern von Subunternehmern – zu miserablen Bedingungen. Corona hat die Situation noch verschärft.

Angesichts des Gesundheits- und Sozialskandals hat die deutsche Regierung inzwischen reagiert und Unterverträge mit Subunternehmen ab 2021 verboten. Dies hat Folgen für die Fleischpreise: Sie dürften um 5 bis 6 Cents pro Kilo steigen.

Bald keine Werbung mehr für Billigfleisch?

Das Landwirtschaftsministerium geht noch einen Schritt weiter und erwägt, Werbung für billiges Fleisch zu verbieten. Eine Maßnahme, die von Umweltorganisationen begrüsst wird. Greenpeace setzt sich gar für eine Steuer auf Tierprodukte ein: Eine Abgabe von ein paar Cents pro Kilo, die direkt an die Viehzüchter umverteilt würde. Die Bauernverbände begrüssen eine solche Steuer, der Lebensmittelhandel kann sich schlecht dagegen verschliessen. Laut Martin Hofstetter von Greenpeace liegt der Ball jetzt bei der Politik. Und diese könnte sich als Bremsklotz erweisen: «In einem Jahr haben wir in Deutschland Wahlen, und ein Jahr vor Wahlen erhöht man keine Steuern.»

Und was sagen die Discounter dazu? Sie üben sich schon einmal in Verteidigungs-Rethorik. Zum Beispiel Penny, der zur Rewe-Group gehört: «Im Discount haben wir viele Kunden die Zwangssparer sind, das heisst, die wirklich auf den Euro und den Cent achten müssen. Und deswegen ist es jetzt gerade enorm wichtig, dass wir uns alle an einen Tisch setzen: Erzeuger, Handel, Politik – aber auch die Konsumenten. Denn bei uns findet letztlich jeden Tag eine Art Volksabstimmung statt. Das heisst, die Sortimente spiegeln genau das wider, was die Kunden kaufen möchten.»

Preisschild
Legende: Der Vergleich im Penny Berlin: Der Verkaufspreis gegenüber den tatsächlichen Kosten. ABE

Dennoch zeigt die Debatte bereits Wirkung: In Berlin lobt der Discounter Penny die wahren Kosten für ein Dutzend Produkte aus, darunter auch Fleisch. In Rot der Verkaufspreis, und in Grün die wahren Kosten der Güter. Dazu gehören etwa bei der Fleischproduktion entstehende Treibhausgase, die Folgen der Überdüngung oder der Energiebedarf.

Kassensturz, 05.01.21, 21:05 Uhr

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