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Der Etiketten-Schwindel bei der Milch
Aus Kassensturz vom 11.09.2012.
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Etiketten-Schwindel Kuh-Hörner auf dem Milchpack nur Nostalgie

Hörner sind wichtig für das Sozialverhalten der Kuh und lassen sie schöner aussehen. Doch: Kaum eine Kuh hat heute noch Hörner. Auf den Milchverpackungen der verschiedenen Grossverteiler sind die Tiere aber fast ausschliesslich mit abgebildet. Das stört viele Konsumenten.

Der Vorwurf:

Viele «Kassensturz»-Zuschauer stören sich daran, dass auf den Milchverpackungen diverser Grossverteiler Kühe mit Hörnern abgebildet sind. Tatsache ist, dass 90 Prozent dieser Tiere keine Hörner mehr tragen. Das gilt auch für Kühe, die Bio-Milch liefern. Eine Zuschauerin schreibt: «Die Verpackung verspricht mehr, als effektiv drin ist. Ich hätte am liebsten Milch von behornten Kühen.»

Stellungnahme Migros:

Es stimmt, Bio-Milch wie auch andere Milchen (z.B. Wiesenmilch) in unserem Sortiment stammt nicht ausschliesslich von Kühen mit Hörnern –  auch bei der Migros nicht. Der Anteil Milch von hörnertragenden Kühen ist uns jedoch nicht bekannt, dazu bestehen weder bei uns noch bei Bio Suisse genaue Daten.

Die Abbildung von gehörnten Kühen auf den erwähnten Milchprodukten ist als reine Dekoration zu qualifizieren, aus welcher rechtlich gesehen kein Leistungsversprechen der Migros abgeleitet werden kann. Kühe werden gemeinhin mit Hörnern dargestellt, weil es sich schlicht ästhetischer präsentiert und zudem dem «gelernten Bild-Code» einer Kuh entspricht.

In der Werbe-Illustration oder auch sonst in der Design-Szene werden Kühe so gut wie nie ohne Hörner dargestellt. Auch Lauterkeitsrechtlich besteht hier kein Probleme, da in den betreffenden Kuh-Abbildung auf der Migros-Verpackung rechtlich betrachtet keine verbindliche Qualitätsangabe über die Milch gesehen werden kann.

Lauterkeitsrechtlich sind nur jene Angaben über Produkte relevant, welche objektiv gesehen dazu geeignet sind, den Abnehmer in seinem Kaufentscheid zu beeinflussen. Der Durchschnittsabnehmer wird aber bei Betrachtung unserer Verpackung bzw. der darauf abgebildeten Kuh keinen Rückschluss auf die Milchqualität machen bzw. spezifisch erwarten, dass diese Milch tatsächlich von Kühen mit Hörnern stammt und das Produkt nur aus eben diesem Beweggrund kaufen. Dass die Abbildung von Kühen mit Hörnern gängig ist, zeigt auch ein Blick auf andere Milchpackungen. Beispielsweise Denner Milch oder Coop Bio Milch Naturaplan oder auch ein Blick in die Werbung für Schweizermilch, in welcher die Kuh «Lovely» stets mit Hörnern inszeniert und dargestellt wird.  

Stellungnahme Coop: 

Coop bildet hauptsächlich auf Verpackungen der Bio-Milch Kühe mit Hörnern als Fotos ab. Nach Bio-Richtlinien ist die Enthornung von Kühen im Prinzip verboten. Bio Suisse kann jedoch Ausnahmen bewilligen. Bei den übrigen Verpackungen wird häufig kein echtes Bild einer Kuh verwendet, sondern Illustrationen oder Kinderzeichnungen.

Grundsätzlich unsere Haltung zu behornten oder hornlosen Tiere:

Die Milchvieh-Haltung in Freilaufställen wurde und wird immer noch «staatlich» gefördert. In der Folge haben die meisten Milchvieh-Betriebe, die den Wechsel von der - auch aus unserer Sicht - problematischeren Anbinde- auf die Freilaufhaltung vollzogen, gleichzei­tig auf unbehornte Tiere gewechselt. Die Haltung von freilaufenden Milchkü­hen bedeutet für viele Betriebe, dass wesentlich mehr Faktoren berücksichtigt werden müs­sen, die bei be­hornten Tieren mit höheren Risiken für Tier und Mensch verbunden sind.

Das Ziel der Ethobeiträge ist, dass das Bestmögliche gemacht wird, was hinsichtlich Tierwohl einen wirklichen Mehrwert darstellt. In der Frage der Behornung oder Enthornung beurteilen auch wir es so, dass es für Milchvieh einen grösseren Mehrwert darstellt, wenn sich die Kühe frei bewegen können, als wenn sie angebunden sein müssten. Daher fällt wohl in den meisten Fällen die Wahl auf genetisch hornlose oder enthornte Kühe.

Es dürfte stimmen, dass unter Idealbedingungen auch behornte Kühe im Laufstall gehalten werden können. Das gilt aber längst nicht für alle Betriebe.

Aus diesen Gründen stellt sich Coop auf den Standpunkt, dass wir es der Einschätzung des Tierhalters überlassen, ob er sich für behornte oder hornlose Tiere entscheidet. Wir wollen weder die eine noch die andere Form bevorzugen oder diskriminieren.

Stellungnahme Lidl:

Im Rahmen der Wahrnehmung unserer Verantwortung bezüglich gesellschaftlicher Herausforderungen in Fragestellungen der Nachhaltigkeit und der Umwelt haben wir sämtliche Milchverpackungen auf FSC zertifiziertes Verpackungsmaterial umgestellt und in diesem Zusammenhang ebenfalls das Erscheinungsbild unserer Milchverpackungen überarbeitet. Dabei haben wir gänzlich auf Abbildungen von Tieren verzichtet. Aktuell sind bereits über 40 Prozent der Verpackungsänderungen umgesetzt.

Stellungnahme Bio Suisse:

Die Enthornung von Kühen gibt immer wieder Anlass zu Meinungsunterschieden. Bio Suisse begrüsst die Haltung behornter Kühe, ist sich aber gleichzeitig bewusst, dass viele Biobäuerinnen und Biobauern ihre Kälber enthornen lassen, um Verletzungen unter den Tieren und den betreuenden Menschen zu vermeiden. Für das Enthornen sprechen auch ein einfacheres Herdenmanagement und tiefere Stallbaukosten. Zudem wird für «behornte Milch» den Produzenten meist nur in Ausnahmefällen ein Aufpreis bezahlt.

Andererseits: Das Horn ist wichtig für das Sozialverhalten, die Rangordnung und die Körperpflege. Bio Suisse ist bestrebt, in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL, den Anteil an behornten Kuhherden auf den Knospe-Betrieben zu erhöhen. Tatsache ist, dass nach wie vor zum Thema «mit oder ohne» unsere Mitglieder unterschiedliche Auffassungen vertreten. Es wäre deshalb undemokratisch für einen Verband wie Bio Suisse, in dieser kontroversen Sachfrage Verbote einzuführen.

In der Werbung werden sehr oft «Bilderbuchbilder» eingesetzt, die ein Thema von der attraktivsten Seite widerspiegeln – so entspricht eine behornte Kuh den (Ideal-) Vorstellungen, die wir uns von der Kuh machen. Und Kühe mit Hörnern gibt es ja gerade auf Biobetrieben noch viele. Behornte Kühe ganz von den Verpackungen zu entfernen, würde der Realität deshalb auch nicht gerecht.

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