Freiwillig, ja freiwillig habe Hans M. sein Pensionskassenguthaben vorzeitig bezogen, um damit seine Schulden zurückzubezahlen. Das hatte der Gemeindepräsident Valentin Schmid aus Spreitenbach vor zwei Monaten gegenüber «Kassensturz» behauptet. Doch seine Aussage stimmt nicht. «Kassensturz» kann belegen, dass Spreitenbach das Pensionskassengeld von Hans M. mit Zwangsmassnahmen in die Gemeindekasse umgeleitet hat – ein widerrechtlicher Akt!
«Kassensturz» konfrontierte daraufhin den Gemeindepräsidenten mit den schwerwiegenden Vorwürfen. Doch anstatt zu antworten, rannte der zum Bezirksgericht Baden. Valentin Schmid wollte verhindern, dass «Kassensturz» das Interview noch einmal ausstrahlt, das er uns gegeben hatte. Wir sollten seine fragwürdigen Aussagen nicht mehr zeigen dürfen. Bei der Gerichtspräsidentin fand er ein offenes Ohr. Kurzerhand verbot sie «Kassensturz» die Ausstrahlung mit einer sogenannten superprovisorischen Verfügung. Das heisst, sie verbot die Ausstrahlung, ohne «Kassensturz» vorher anzuhören.
Diese Schnelljustiz ist hier krass verfassungswidrig und verstösst eindeutig gegen das Gesetz. Denn in der Verfassung steht, dass ein Richter jedem das rechtliche Gehör geben muss, d.h. er muss beide Seiten anhören, bevor er entscheidet. Eine superprovisorische Verfügung darf er nur dann aussprechen, wenn er absolut keine Zeit mehr gehabt hätte, «Kassensturz» vorher zu sprechen.
Doch das war nicht der Fall. Die Richterin fällte das Verdikt am 31. März, drei Wochen vor der Sendung, sie hätte also drei Wochen lang Zeit gehabt, «Kassensturz» anzuhören. Trotzdem tat sie das nicht. Und handelte damit eindeutig missbräuchlich.
Denn für diesen gerichtlichen Eingriff in die Medienfreiheit müssen neben der Dringlichkeit, die nicht gegeben war, mehrere Voraussetzungen zusammen erfüllt sein:
Erstens: Der Gemeindepräsident muss glaubhaft darlegen, dass die drohende Persönlichkeitsverletzung für ihn einen besonders schweren Nachteil bedeutet. Zum Beispiel, dass «Kassensturz» ihn wahrheitswidrig als Lügner darstellen will. Doch «Kassensturz» berichtete wahrheitsgetreu. Zudem hat Valentin Schmid sein Interview in der Rolle des Gemeindepräsidenten von Spreitenbach gegeben. Und eine Behörde, für die er als Sprecher auftrat, besitzt keine Persönlichkeit, die verletzt werden könnte. Allein aus diesem Grunde hätte die Richterin das Begehren des Gemeindepräsidenten abweisen müssen.
Zweite Voraussetzung: Kein öffentliches Interesse. Doch der Bericht war nötig, um die Öffentlichkeit über Amtswillkür und das widerrechtliche Vorgehen einer Behörde aufzuklären. Die Richterin hätte die Ausstrahlung des Interviews auch aus diesem Grunde nicht verbieten dürfen.
Beide Voraussetzungen hätten erfüllt sein müssen, waren es aber nicht. Trotz dieser Gesetzeslage fällte die Gerichtspräsidentin dieses Fehlurteil. Und schränkte damit die Medienfreiheit in unzulässiger Weise ein.
Besonders verwerflich ist es, dass die Gerichtspräsidentin auch das bereits ausgestrahlte «Kassensturz»-Interview mit Valentin Schmid von der «Kassensturz»-Homepage entfernen liess, ein Interview das notabene sechs Wochen lang aufgeschaltet war. Für so einen Enscheid ist das Mittel der provisorischen Verfügung gar nicht vorgesehen. Da kann man nur den Kopf schütteln.