Zum Inhalt springen

Wolfgang Wettstein Strafsteuer fürs Kinderkriegen

Stellen Sie sich vor: Die Steuerbehörden verlangen ab sofort von jedem Paar, das ein Kind bekommt, höhere Steuern. Nur wer sich entscheidet, kinderlos zu bleiben, entgeht dieser neuen Strafsteuer.

Wolfgang Wettstein
Legende: Wolfgang Wettstein SRF

Das kann nicht sein, denken Sie, das wäre ja irrwitzig. Es ist doch gut für unsere Gesellschaft, wenn Kinder geboren werden. Warum sollte der Staat deren Aufzucht bestrafen? Und überhaupt: Es geht niemanden etwas an, ob ein Paar Kinder will, da sollen sich die Behörden gefälligst raushalten. Sie haben recht. So irrwitzig ist keine Steuerbehörde. Wer Kinder bekommt, wird nicht bestraft.

Doch irrwitzig verhalten sich die Steuerbehörden bei der Heirat. Viele berufstätige Paare, die sich entschliessen zu heiraten, müssen höhere Steuern bezahlen als Paare, die im Konkubinat leben. Denn nach der Heirat füllen Ehepaare eine gemeinsame Steuererklärung aus, ihre Einkommen werden zusammengezählt. Wegen der Steuerprogression fällt die Steuerrechnung höher aus, als wenn ihre beiden Einkommen getrennt besteuert würden. Trotz Verheirateten- und Zweiverdienerabzug bleibt diese Ungerechtigkeit bestehen. Schon vor 27 Jahren verurteilte das Bundesgericht die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren als verfassungswidrig. Doch passiert ist seither zu wenig. Am Mittwoch hat der Bundesrat weitere Anstrengungen beschlossen, um die Heiratsstrafe zu beseitigen. Doch die Massnahmen sind kompliziert. 

Einzig sinnvolle Lösung ist die Individualbesteuerung. Es ist nicht einzusehen, warum Paare im Konkubinat zwei Steuererklärungen ausfüllen dürfen und so von tieferen Steuern profitieren, Ehepaare jedoch nicht. Gegen die Individualbesteuerung stemmen sich CVP und SVP, weil sie das traditionelle Familienbild gefährdet sehen, also ein Ernährer und die Frau hinterm Herd. Die beiden Parteien übersehen dabei, dass wegen der ungerechten Heiratsstrafe tausende Paare, die eigentlich gerne heiraten würden, im Konkubinat verharren. Und diese Lebensform entspricht ja auch nicht ihrem traditionellen Familienbild.

Meistgelesene Artikel