Die Experten vom Dynamic Test Center in Vauffelin bei Biel wenden für Kassensturz unkonventionelle Methoden an. Kassensturz möchte wissen, ob der Airbag auch dann explodiert, wenn er gar nicht sollte. Vorerst funktioniert der Lebensretter richtig, auch Tritte und Schläge bringen den Airbag nicht zur Explosion.
Beim Crash Test wird ein VW Golf Baujahr 96 mit 5 Kilometern pro Stunde in eine Betonwand gefahren. Nichts passiert. Auch mit 8 Kilometern pro Stunde zündet der Airbag nicht. Das ist gut so. Doch dann: Bei nur 13 Kilometern pro Stunde geht der Airbag los. Das dürfte nicht passieren.
Zündung in 30 Millisekunden
«Weil wir mit einem steifen Fahrzeug auf einem Betonblock aufgefahren sind und ein altes Airbagsystem vorlag, ist es zu einer Zündung gekommen», sagt der Experte. Heutige, moderne Systeme mit zusätzlichen Sensoren würden eine solche Kollision nicht als gravierend erachten und die Airbags hätten nicht gezündet.
So funktioniert ein Airbag: 40 Sensoren berechnen laufend die Geschwindigkeit. Bei einem Unfall geben sie den Zündimpuls für die Sprengstoffladung. In nur 30 Millisekunden entfaltet sich der Airbag. Das rettet jedes Jahr Menschenleben. Doch immer wieder kommt es zu Fehlfunktionen, auch bei modernen Fahrzeugen. Der Lebensretter im Auto wird zur Gefahr.
Prellungen und Kopfschmerzen
Das erlebte auch Jacqueline Schwaller aus Bellach bei Solothurn. Am 30. Mai stellte sie ihr Auto, ein Renault Clio Baujahr 2001, auf einem Parkplatz ab: «Ich habe den Zündschlüssel herausgezogen, mich losgeschnallt und bin am Aussteigen gewesen, als es eine Riesenexplosion im Seitenairbag gab.» Jacqueline Schwaller erlitt Prellungen am Bein und wurde wegen des lauten Knalls tagelang von Kopfschmerzen geplagt.
Wie konnte es zur Fehlzündung des Airbags kommen? Die Fahrerin war ratlos. Jacqueline Schwaller liess den Schaden von der Renault Garage reparieren. Der Einbau eines neuen Airbags kostete 1717.65 Franken. Die 40-Jährige machte ihrem Ärger Luft und schrieb Renault Schweiz einen Brief. «Ich erwarte von Renault, dass sie die Verantwortung übernehmen, dass sie der Ursache nachgehen und kulanterweise den Schaden übernehmen», weil so etwas ja gar nicht passieren dürfe.
Kunden haben oft das Nachsehen
Rechtsprofessor Vito Roberto, Experte für Haftpflichtfragen, prüft den Fall. Roberto kritisiert die schlechte Rechtslage in der Schweiz, der Kunde habe oft das Nachsehen. «Es handelt sich um ein 6-jähriges Fahrzeug. Die Garantieleistungen sind schon lange abgelaufen. Renault muss im vorliegenden Fall nicht zahlen.» Anders hätte es ausgesehen, wenn sich jemand auf Grund dieses Vorfalls verletzt hätte. «Dann hätte Renault oder der Generalimporteur in der Schweiz, gestützt auf das Produkthaftungsgesetz, zahlen müssen», sagt der Rechtsprofessor.
Mit der gleichen Begründung lehnt Renault Schweiz jede Verantwortung an der Fehlzündung des Airbags ab. In einem Brief an Jacqueline Schwaller schrieb der Importeur: «Jedes Fahrzeug unterliegt mit fortlaufender Laufleistung und dem Alter einer Abnutzung. Bei einem 6-jährigen Fahrzeug sind die Voraussetzungen für eine Kulanzbeteiligung bedauerlicherweise ganz klar nicht mehr gegeben.»
Renault: «ein Missverständnis»
«Ich finde das unerhört, sie wollen keine Kosten übernehmen und bieten mir an, dass sie beim Kauf eines Neuwagens die Materialkosten übernehmen würden. Das heisst für mich, sie wollen noch Profit daraus schlagen und das ist nicht in Ordnung», empört sich Jacqueline Schwaller. Renault Schweiz sieht das anders. André Hefti, Leiter Kommunikation, rechtfertigt den Entscheid und sagt, mit dem Ehepaar Schwaller hätte es ein Missverständnis gegeben.
«Wir haben nicht gesagt, dass wir nicht zahlen. Herr Schwaller sagte, dass er kein Vertrauen mehr in das Auto habe und da boten wir an, dass wir die Gesamtkosten der Reparaturen an den Neukauf eines Fahrzeuges anrechnen würden.
Wenn Schwallers gesagt hätten, dass sie mit dem Auto zufrieden seien und weiterfahren wollen, hätte man diskutieren können und dann hätten wir gesagt, ja, wir übernehmen die Kosten.»
Studie: Fehlzündungen nicht selten
Die Autohersteller spielen das Problem von Fehlzündungen bei Airbags herunter. Vor zwei Jahren berichtete die Sendung «Quer» über einen Seitenairbag, der während der Fahrt plötzlich explodiert war. Die Automobilistin kam mit dem Schrecken davon. Auch damals war es ein Renault Clio, auch damals wollte Renault nicht zahlen.
Eine deutsche Studie der Bundesanstalt für Strassenwesen aus dem Jahr 2000 zeigt Erstaunliches: Fehlzündungen von Airbags sind keine Seltenheit – auch bei Renault.
Innerhalb weniger Monate melden europäische Automobilclubs, darunter der TCS, rund 80 Fälle. Insgesamt weist die Studie 14 Fehlzündungen bei Fahrzeugen der Marke Renault aus.
Drei Airbags von Renault explodierten im stehenden Fahrzeug, zwei ohne Krafteinwirkung während der Fahrt. Renault gibt zu: «Wir sind ein Hersteller, der vor über sechs Jahren nicht nur Front, sondern auch Seitenairbags eingeführt hat.» Sicherheit sei Renault immer ein wichtiger Aspekt gewesen und da sei es natürlich möglich, dass es ein oder zwei Fälle mehr gegeben habe als bei anderen.
Grundsätzlich gäbe es keine Sicherheitsprobleme mit Airbags. Und falls doch, übernehme ab jetzt der Importeur die Kosten. «Kulanterweise», sagt Renault.