Rolf Künzi ist schwer behindert. Nach einer verpfuschten Zahnwurzelbehandlung erlitt der ehemalige Direktor des Bundesamtes für Zivilluftfahrt zwei Hirnschläge. Seit sieben Jahren umsorgt ihn Tag und Nacht seine Frau Betty. Ein Pfleger steht ihr vollamtlich zur Seite. Im täglichen Leben sind spezielle Hilfsmittel für Behinderte eine Erleichterung. Diese Hilfsmittel sind allerdings sehr teuer: Unter anderem brauchen die Künzis einfaches Rollstuhlzubehör für 248 oder 191 Franken, Waschschüsseln für 80 Franken, spezielle Esslöffel für 78 Franken oder eine Rutschmatte, mit welcher der Behinderte von einer Liegefläche zur anderen gehievt wird, für 500 Franken. «Das ist eine Abzockerei zu Lasten von Alten, Kranken und Behinderten», ärgert sich Betty Künzi. Sie hat sich bei den Anbietern deshalb schon oft über die hohen Preise der Hilfsmittel beschwert. Als Antwort erhalte sie jeweils ein «ärgern Sie sich nicht, die Versicherung zahlt es ja», erzählt Betty Künzi.
Die Anbieter von Hilfsmitteln machen jedes Jahr über eine Milliarde Franken Umsatz. Bezahlen müssen die Sozialversicherungen. Allen voran die hochdefizitäre Invalidenversicherung. Manchmal auch die Militärversicherung, und wenn die Hilfsmittel nur vorübergehend gebraucht werden, müssen die Krankenkassen zahlen. «Generell stellen wir fest, dass die Preise sehr hoch, manchmal sogar überrissen sind», sagt Peter Marbet vom Krankenkassenverband Santésuisse. Der Staat lege die Preise fest, und das erlaube den Herstellern, die Preise hoch zu halten. Eine vom Bundesamt für Sozialversicherung erarbeitete Mittel- und Gegenstände-Liste (MiGeL) hält fest, wie viel die aufgeführten Hilfsmittel kosten dürfen. Nur: Die Preise richten sich nach den teuersten Produkten.
Besonders fett sind die Margen bei den Rollstühlen. Zum Vergleich: Für einen Leichtgewichtrollstuhl zahlen Deutsche Krankenkassen rund 1600 Franken. Die Schweizer Invalidenversicherung blättert rund 4000 Franken hin. Ein Standard-Elektro-Rollstuhl (mit indirekter Lenkung) kostet Deutsche Kassen rund 7000 Franken. In der Schweiz knüpfen die Händler der IV über 15'000 Franken ab. Die IV zahlt, was die Händler verlangen. Von Preisverhandlungen oder Rabatten keine Spur. Dabei wäre viel rauszuholen: Die Krankenkassen haben bei Inkontinenzprodukten und Sauerstoff-Geräten mit harten Verhandlungen Einsparungen zwischen einem Viertel und der Hälfte erkämpft.
Kassensturz hat zwei teure Rollstuhlbestandteile von Rolf Künzi beim Polsterer Daniel Jaggi herstellen lassen - auf Mass, einzeln angefertigt und alles in Handarbeit. Daniel Jaggis Abduktionskeil für den Rollstuhl kommt auf 120 Franken zu stehen. Und er verdiene immer noch daran, betont Jaggi. Den offiziellen Preis von 248 Franken finde er schon an der oberen Grenze, sagt der Polsterer. Den Wert des zweiten Rollstuhlzubehörs für offizielle 191 Franken schätzt Jaggi auf höchstens 70 Franken. Der Importeur dieser Hilfsmittel, Peter Ruepp von ATO-FORM, verteidigt seine Preise: «Es wäre falsch, wenn man nur den Warenwert anschauen würde. Man muss auch schauen, was es braucht, dass diese Produkte an den Rollstuhl kommen, und dass das Produkt auch dem Patienten passt.»
Auch Hermann Messerli, Geschäftsführer der bimeda, einer der führenden Hilfsmittelanbieter, findet die Preise angemessen. Im Vordergrund stehe nämlich die Beratung, und die sei sehr aufwändig. Davon hat Betty Künzi bis anhin aber wenig gemerkt: «Die meisten Produkte hab ich telefonisch bestellt ohne jede Beratung. Ich weiss auch nicht, was man bei einer Kissenablage oder einer Rutschmatte beraten soll.»
In der Schweiz gibt es heute noch keine Langzeiteinrichtungen für schwer hirnverletzte Menschen. Betty Künzi will das ändern und ein Kompetenzzentrum für schwer hirnverletzte Menschen aufbauen. Dazu hat sie eine Selbsthilfeorganisation gegründet:
SSS Selbsthilfe Schweizer Schädelhirnpatienten
Villa Alfi
Via Bedéa
6986 Novaggio
Telefon: 091/ 606 27 68
Fax: 091/ 606 22 76