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Velohelme im Test Der billigste Velohelm verpasst Sieg nur knapp

Acht von elf Helmen erreichen im «Kassensturz»-Test das Urteil «gut». Die vier Mips-Helme fallen nicht besonders auf.

Die Fakten sprechen für sich: Ein Velohelm senkt bei einem Unfall das Risiko einer schweren Kopfverletzung um stolze 60 Prozent. Trotzdem tragen laut BfU nur 56 Prozent der Velofahrenden Helm.   

Testtabelle

Jeder Helm ist also besser als keiner. Aber natürlich ist ein guter Helm besser als ein schlechter. «Kassensturz» liess zusammen mit «K-Tipp» und dem «Velojournal» elf vielverkaufte Velohelme im Labor und Praxistest prüfen. Die Preisspanne: knapp 19 Franken bis 180 Franken.   

Stossdämpfungstest: Keine Ausreisser

Im Test am stärksten gewichtet wurde der Stossdämpfungstest, ein Normtest, denn alle Helme erfüllen müssen. Er simuliert einen senkrechten Aufprall des Kopfs mit einer Geschwindigkeit von knapp 20 Kilometern pro Stunde. Sensoren in im Prüfkopf messen, wie stark ein Helm den Aufprall dämpft. Hier sind alle Helme genügend bis gut.

So wurde getestet

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Die Helme wurden im spezialisierten Labor des TÜV Rheinland auf ihre Schutzwirkung getestet: Wie stark dämpfen die Helme einen Aufprall? Wie viel Rotationsenergie absorbieren sie? Und wie gut halten die Riemen? Der TÜV prüfte dabei nach den offiziellen Normen. Ausser beim Rotationstest, wo es noch keine Norm gibt. Der Test wurde jedoch an die bestehende Vor-Norm (: WD prEN 1078_221030 GDB) angelehnt.

In einem zweiten Praxistest haben Marius Graber (Technikredaktor «Velojournal») und Aline Künzler (Velokurierin und Redaktorin «Velojournal») das Handling der Helme bewertet: Wie gut lässt sich das Kopfband einstellen? Wie einfach schliesst die Schnalle? Wie einfach lassen sich Kinnriemen und Y-Punkt verstellen? Und halten diese Einstellungen auch an? Alle Kriterien wurden auch mit Handschuhen getestet und mit Schulnoten bewertet.

Rotationstest näher an der Realität

«Kassensturz» lässt die Helme im Labor auch in einem Rotationstest prüfen. Dabei prallen die Helme statt auf einen geraden auf einen schrägen Amboss. Dies versetzt den Helm in eine Rotation.

Dieser Test ist kein Normtest, aber näher an der Realität. In der Regel schlägt der Kopf bei einem Sturz meist nicht senkrecht auf die Strasse, sondern eher schräg. «Dadurch wird der Kopf in eine Rotation versetzt. Im Rotationstest können wir feststellen, wie viel der Rotation von aussen bis zum Gehirn vordringt», sagt Peter Schaudt vom TÜV. Rotationskräfte können das Gehirn empfindlich schädigen.

Mips-Systeme fallen nicht besonders auf

Gegen diese Rotationskräfte bietet die Branche spezielle Lösungen. Verbreitet ist das sogenannte Mips-System . Dieses besteht aus einer zweiten, beweglichen Schale im Innern des Helms. Diese soll bei einem schrägen Aufprall die schädliche Rotationsbewegung abdämpfen. Für  einen Helm mit Mips zahlen Kundinnen in der Regel schnell 20 oder 30 Franken Aufpreis.

Vier der eher teureren Helme im Test sind mit Mips ausgestattet. Doch der Rotationstest zeigt laut dem TÜV-Experten interessante Ergebnisse: «Die vier Mips-Helme fallen nicht auf im Gesamtergebnis. Zwei Helme ohne Mips waren bei den Rotations-Ergebnissen sogar besser.» Erstaunlich: Der mit Abstand billigste Helm im Test (Inmold von Landi, 19 Franken) zeigt im Rotationstest die deutlich besten Werte. Er verpasst den Testsieg knapp, weil er im Praxistest Schwächen zeigt.

Man könne die Ergebnisse des Tests nicht nachvollziehen, schreibt der Mips-Hersteller zum Test. Und weiter: «Alle Helm-Modelle mit dem Mips-System müssen die Drehbewegungen um mindestens 10 % reduzieren, um von unserem internen Prüfprotokoll zugelassen zu werden. Viele reduzieren die Belastung in weitaus höherem Masse.»

Stellungnahme Mips:

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Für die Prüfung von Rotationsbewegungen gibt es keinen Norm-Test. Der TÜV-Rheinland hat sich beim Testaufbau deshalb an eine existierende Vor-Norm angelehnt.

Der schwedische Hersteller des Mips-Systems schreibt zu den Ergebnissen, dass die im TÜV-Test verwendeten Prüfköpfe nicht geeignet seien. Man würde in den eigenen Labors andere Modelle verwenden. Es gebe ausserdem keine offizielle Prüfnorm für Rotationsbewegungen in Helmen. Man sei daran, Prüfmethoden zu entwickeln, die mit den neuesten, wissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmen würden. Mips sei ausserdem an der Entwicklung einer Prüfnorm für Rotationsbewegung in Helmen beteiligt.

Alle Helmmodelle mit dem Mips-System müssten die Drehbewegungen um mindestens 10 % reduzieren, um vom internen Prüfprotokoll für die Zulassung zugelassen zu werden. Viele würden die Belastung um weit mehr reduzieren, in einigen Fällen um bis zu 60 % mehr als ein vergleichbares Modell ohne Mips-System.

Ein Helm fällt wegen gerissenem Riemen durch

Das Model Doppio Plus Mips von Scott fiel im sogenannten Abstreiftest durch. Der Normtest prüft, ob die Helme bei einer plötzlichen, äusseren Belastung auf dem Kopf bleiben. Beim Doppio Plus ist im Test der Kinnriemen gerissen.  «Das ist zum Glück eher selten und vermutlich ein Materialfehler», so Testleiter Peter Schaudt. 

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Scott interpretiert das Ergebnis als «Ausreisser» und schreibt: «Dieses Helm-Modell wird seit Jahren kontinuierlich in verschiedenen externen Laborprüfungen getestet und hat immer den Abstreiftest bestanden. Wir sind der Meinung, dass der gerissene Riemen nicht die Qualität dieses Produkts repräsentiert.»

Espresso, 11.04.23, 08:13 Uhr / Kassensturz, 11.04.23, 21:05 Uhr

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