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Arbeit Was sagt der IV-Chef zur harzigen Reintegration?

Die IV möchte viele ihrer Bezüger wieder zurück in die Arbeitswelt bringen. Aktuelle Zahlen lassen aber vermuten: Es läuft nicht wie geplant. Im «Espresso» erklärt Stefan Ritler, Chef der IV Schweiz, wie die Reintegration von IV-Bezügern voran geht.

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Was sagt der IV-Chef zur harzigen Reintegration?
aus Espresso vom 19.04.2013. Bild: Keystone
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17‘000 IV-Rentner will die Invalidenversicherung von 2012 bis 2017 wieder in die Arbeitswelt eingliedern. Darunter sind viele psychisch Kranke. Nach gut einem Jahr fanden jedoch beispielsweise im Kanton Zürich erst 250 von 2‘700 betroffenen IV-Bezügern wieder eine Stelle, also nicht einmal zehn Prozent. Läuft es nicht wie geplant? Stefan Ritler, Leiter IV  im Bundesamt für Sozialversicherungen, hat im «Espresso» Stellung genommen:

Herr Ritler, der «Espresso»-Beitrag «Nach Burnout wieder Arbeit gefunden» zeigt beispielhaft, wie man sich Reintegration vorstellt. Doch Studien zeigen: Das ist eine Ausnahme. Gerade bei psychisch Kranken haben Arbeitgeber extreme Vorbehalte. Kommen Sie dagegen an?

Auf jeden Fall. Wir haben verschiedene Beispiele. Das soeben gehörte ist exemplarisch. Die Vorgesetzten müssen sich darauf einlassen. Und im Idealfall verliert der Mensch mit Problemen schon gar nicht seine Arbeit. Wir unterscheiden also zwischen Menschen, für die wir den Arbeitsplatz erhalten wollen und Menschen, die wir neu integrieren wollen.

Ich verstehe aber sehr gut, dass Arbeitgeber Widerstände haben. Man geht ein Risiko ein und will das abwägen. Aber Arbeitgeber dürfen einen Mensch mit einem psychischen Problem nicht nur als Kostenfaktor betrachten. Man muss auf ihn zugehen und ihn bei seinen Ressourcen abholen.

Gerade in der Wirtschaftswelt geht es aber doch vor allem um den Profit. Und da steht eine solche Person der Firma vielleicht im Weg.

Auf den ersten Blick mag das so erscheinen. Doch es gibt auch andere Zeichen, das hat auch Ihr Beitrag gezeigt. Eine Person mit Ressourcen ist auf jeden Fall etwas wert und kann in einem Betrieb etwas beitragen. Es ist aber tatsächlich ganz wichtig, dass der Vorgesetzte zu dieser Person steht.

Welche Angebote kann die IV den Arbeitnehmern unterbreiten, damit diese vielleicht doch einmal einen Versuch mit einem psychisch kranken Angestellten starten?

Wir haben eine grossangelegte Sensibilisierungs-Kampagne lanciert. Die IV-Stellen besuchen Arbeitgeber, um die Befindlichkeiten abzuholen. Und dann gibt es natürlich auch konkrete Massnahmen wie Einarbeitungszuschüsse oder die Praktikumsplatz-Suche, die wir nachher mitfinanzieren können. Zudem unterstützen wir Arbeitsversuche. Hier können Arbeitgeber und –nehmer prüfen, ob sie miteinander zurechtkommen. Die IV übernimmt dann die Leistungen, die beim Arbeitgeber anfallen.

Gesamthaft will die IV innerhalb von sechs Jahren 17‘000 IV-Rentner zurück in die Arbeitswelt bringen. Circa ein Jahr ist nun vorbei, und wenn man die Zahlen betrachtet, dann sind Sie alles andere auf Kurs. Der Kanton Zürich beispielsweise sollte 2700 IV-Bezüger reintegrieren. In den ersten 16 Monaten waren es gerade einmal 250, also nicht einmal zehn Prozent. Bereitet Ihnen das Bauchschmerzen?

Grundsätzlich nicht. Wir sind auf Kurs. Was die IV Zürich geleistet hat, ist sehr gut. Im ersten Jahr haben wir an und für sich noch keine Ergebnisse erwartet. Denn zuerst muss man die Personen kontaktieren, Beratungsgespräche führen, medizinische Abklärungen einholen und so weiter. Wir haben hunderte von Leuten, die medizinisch abgeklärt werden, die bereits in Massnahmen integriert sind. Da haben wir jedoch noch keine Ergebnisse. In den Folgejahren erwarten wir durchaus eine Besserung.

Die Erreichung des Ziels steht und fällt aber mit den Arbeitgebern, die sich bereit erklären, mitzumachen.

Richtig. Wir können die Leute vorbereiten, sodass sie arbeitsmarktfähig werden. Auf der anderen Seite braucht es aber diese Partnerschaften mit den Arbeitgebern. Und es gibt durchaus Arbeitgeber, die bereit sind, solchen Leuten eine Chance zu geben.

Die IV muss das gesteckte Ziel erreichen und steht unter Druck. Kann es sein, dass Sie mehr Druck auf die IV-Rentner ausüben als gut ist?

Mir wollen nicht mit Druck unser Ziel erreichen, sondern mit fairen Angeboten, mit Beurteilungen und dem Aufzeigen von Chancen. Nicht schwarz-weiss ist das Thema, sondern auch die Grautöne mit Teil-Rente müssen berücksichtigt werden.  

Das Interview führte Oliver Fueter.

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