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Versicherungen zahlen Beinbruch nicht
Aus Kassensturz vom 11.09.2012.
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Familie und Freizeit Zwei Versicherungen zahlen Beinbruch nicht

Auf dem Pausenplatz beim Fussballspielen verletzt ein 13-Jähriger seinen Gegner mit einem groben Foul. Der Tritt sei Absicht gewesen, sagt die Haftpflichtversicherung, und will nicht zahlen.

In der Emmentaler Schule Heimiswil spielen die Oberstufenschüler in jeder Pause Fussball. Nicht immer verlaufen die Spiele harmonisch. Nach einem Handspiel geraten die beiden 13-jährigen Schüler Jonas und Christian aneinander. Jonas provoziert mit üblen Worten, Markus tritt Jonas ins Bein.

Der Tritt hat schwerwiegenden Folgen: Jonas muss mit einem gebrochenen Bein ins Spital. Markus war geschockt über die Auswirkungen seines Fouls. Am gleichen Tag noch besuchte er Jonas Eltern, um sich zu entschuldigen.

Sein Vater erinnert sich: «Markus war tagelang niedergeschlagen. Er besuchte Jonas im Spital. Später sassen beide Familien zusammen, um den Vorfall aufzuarbeiten», so Kurt Moser. Die Familien waren sich einig, ein grobes Foul kann vorkommen, wenn Kinder miteinander Fussball spielen.

Hohe Kosten nach simplem Vorfall

Komplikationen bei Jonas Genesung liessen die Heilkosten auf knapp 20‘000 Franken ansteigen.  Doch weder Jonas‘ Krankenkasse noch Markus‘ Haftpflichtversicherung wollte das bezahlen.

Nach vielem Hin und her schlägt die Krankenkasse der Haftpflichtversicherung einen Kompromiss vor: «Unser Versicherter hat im Vorfeld Markus provoziert und trägt damit eine Mitschuld am Vorfall.» Sie bietet der Haftpflicht deshalb als «pragmatische Lösung» an, die Hälfte der Kosten zu übernehmen.

Doch Markus‘ Haftpflichtversicherung, die Allianz, schreibt Markus‘ Eltern: «Schäden, die anlässlich der vorsätzlichen Begehung von Verbrechen oder Vergehen verursacht werden, sind  von der Versicherung ausgeschlossen.»

Junge liegt am Boden
Legende: Nicht immer verlaufen Spiele harmonisch Colourbox

Weil Markus mit Absicht gegen das Bein von Jonas getreten habe, sei es ihnen leider auch nach nochmaliger Prüfung nicht möglich, auf diesen Fall einzutreten.

So landete die Rechnung der Krankenkasse bei der Familie Moser: Markus soll die 10‘000 Franken selber zahlen. Kurt Moser ist verzweifelt: «Markus wollte doch Jonas nicht mit Absicht das Bein brechen! Dass das die Haftpflichtversicherung nicht zahlen will, können wir nicht begreifen.»

Die Versicherung liegt falsch

Die Allianz-Versicherung habe falsch entschieden, sagt auch Thomas Koller, Rechtsprofessor an der Universität Bern: «Hier geht es um 13-jährige Jungs. Kinder wollen in diesem Alter vielleicht mal raufen, aber bestimmt keine Körperverletzung begehen. Also ist die Tat nicht vorsätzlich und die Allianz muss zahlen.»

Der Rechtsprofessor geht noch einen Schritt weiter: «Zahlt eine Haftpflichtversicherung bei Folgen eines solchen Streites nicht, macht diese Versicherung für Familien kaum Sinn.»

Markus muss nicht zahlen

Die Allianz hält an ihrer Einschätzung fest. Die Versicherung schreibt Kassensturz: «Ein Knabe zwischen 13 und 14 Jahren muss sich vergegenwärtigen können, dass ein Tritt ins Bein nachhaltige Verletzungen verursachen kann.»

«Die höchstrichterliche Rechtssprechung attestiere in der Regel Kindern ab 12 Jahren die volle Urteils- und damit Deliktsfähigkeit. (...) In Anbetracht dieser Rechtslage bleibt kaum Raum für eine Kostenbeteiligung. Dennoch haben wir mit dem Krankenversicherer eine einvernehmliche Lösung gefunden.»

Einen Tag, nachdem sich «Kassensturz» bei der Allianz gemeldet hat, kam für Markus und seine Eltern die erlösende Nachricht. Markus muss die 10‘000 Franken nicht selber zahlen.

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Studiogespräch mit Thomas Koller, Professor für Privatrecht Universität Bern
Aus Kassensturz vom 11.09.2012.
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