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Spiel mit Einsamkeit: 13'000 Franken ergaunert
Aus Kassensturz vom 16.02.2010.
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Geld Spiel mit Einsamkeit: 13'000 Franken ergaunert

Ein Mitarbeiter einer Partnervermittlung ergaunerte von einer alleinerziehenden Mutter Tausende von Franken. Seit Jahren berichtet «Kassensturz», wie Partnersuchende mit Lügen auf 0900er-Nummern gelockt werden. Die Behörden haben viele Nummern gesperrt, doch die Gauner machen unbeirrt weiter.

Irene Baumgartner ist Mutter dreier Töchter, alleinerziehend und auf der Suche nach einem Mann. In der Zeitung entdeckte sie eine Kontaktanzeige und wählte die Telefonnummer. Irene Baumgartner: «Es kam eine Frauenstimme, die sagte, es koste 4.99 Franken pro Minute und es gäbe keine Garantie für eine Vermittlung. Da dachte ich, ja hoppla, das ist mir zu teuer, und legte wieder auf.» Doch die Partnervermittlung meldete sich kurz darauf bei ihr. Ein gewisser Manuel rief zurück. Nicht der richtige Name des Herrn, aber das konnte Irene Baumgartner nicht wissen.

Möglichst lange hinhalten

Er wolle sie besser kennenlernen. Sie solle ihn auf eine 0900er Nummer anrufen. «Das habe ich auch gemacht und dann sind die Gespräche halt auch immer vertrauter geworden. Er war mir auch sympathisch», erzählt Baumgartner. Dieser Manuel hätte ihr gesagt, er habe sich in sie verliebt. Er sprach von einer gemeinsamen Zukunft und brachte sie dazu, ihn mehrmals täglich auf eine kostenpflichtige 0900er Nummer anzurufen. Innerhalb weniger Monate summierten sich die Telefonrechnungen auf über 13‘000 Franken.

«Kassensturz» hat eine Frau getroffen, die jahrelang im gleichen Callcenter wie Manuel arbeitete. Ihr Job war: lügen. Die ehemalige Mitarbeiterin bestätigt: «Uns war es strengstens verboten, die Anrufenden untereinander zu vermitteln. Wir hatten einzig den Auftrag, die Leute so lange wie möglich am Telefon hinzuhalten.» Das Geschäft sei sensationell gelaufen. Sie hätte gegen 10'000 Franken pro Monat verdient.

In den letzten fünf Jahren berichtete «Kassensturz» mehrmals über einsame Singles, die viele Tausend Franken verloren haben. Hinter dem miesen Geschäft stecken immer die gleichen Partnervermittlungen: Phonedating und Live-Channel. Ihr Geschäftsmodell: Die Anrufer mit allen Mitteln möglichst lange in der teuren Leitung halten. Die Berichterstattung über die geprellten Singles zeigte Wirkung. Das Bundesamt für Kommunikation prüfte den Widerruf aller 0900er-Nummern von Phonedating. Das Bakom kam zum Schluss: Phonedating hat mehrfach gegen das Gesetz verstossen. «Wir bekamen recht viele Klagen von Konsumentinnen und Konsumenten. Wir haben eigene Testanrufe gemacht und festgestellt, dass diese Klagen offenbar zutreffen», sagt Annalise Eggimann, Leiterin der Bakom-Rechtsabteilung.

Verworrenes Firmengeflecht

Das Bakom sperrte zehn 0900er-Nummern. Doch die Gauner machen unbeirrt weiter. In vielen Zeitungen stehen weiterhin Kontaktanzeigen der Phonedating-Hintermänner. Die Aufmachung ist unscheinbar: Singles sollen eine 0900er-Nummer wählen. Doch hinter diesen Inseraten steckt ein verworrenes Firmengeflecht um Oliver Paschaweh. In Uitikon-Waldegg (ZH), bei CSC Communication, kommen unzählige 0900er Nummern zusammen. Dort werden die Anrufer mit Lügen hingehalten – so wie Irene Baumgartner. Die Sehnsucht nach einem neuen Partner kostete sie über 13'000 Franken. Sie hat alle Rechnungen bezahlt – bis auf die letzten 531.50 Franken. Wegen diesen 500 Franken drohte ihr Swisscom mit der Kündigung und sperrte ihr letzten Monat den Anschluss.

Stossend: Die Swisscom mahnt ihre Kunden im Auftrag einer unseriösen Partnervermittlung. Für diese Dienstleistung kassiert Swisscom nach eigenen Angaben 10 Prozent des Umsatzes. Swisscom-Mediensprecherin Myriam Ziesack: «Die Kundin nahm diese Dienstleistungen in Anspruch und so stellen wir auch in Rechnung, was die Kundin genutzt hat.» Swisscom hätte aufgrund des Bakom-Entscheids aber umgehend gehandelt und die entsprechenden 0900-Nummern gesperrt. Kulanter verhält sich Cablecom: Nach dem Bakom-Entscheid sistierte sie die Rechnungen von zwei Phonedating-Opfern.

Alle Vorwürfe bestritten

Auch Irene Baumgartner will das Geschehene nicht auf sich sitzen lassen. Sie reichte deshalb Strafanzeige wegen Betrugs und unlauterem Wettbewerb ein. «Kassensturz» weiss, dass noch weitere Anzeigen hängig sind. Die Firma CSC Communication, die auch Phonedating betreibt, bestreitet unterdessen alle Vorwürfe. Bei Swisscom sind die Verantwortlichen sich ebenfalls keiner Schuld bewusst. Man hätte Irene Baumgartner per SMS gewarnt und ihr angeboten, die 0900-Nummer zu sperren.

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