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Teure Verhütung: Das Geschäft der Ärzte mit der Pille
Aus Kassensturz vom 03.10.2006.
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Geld Teure Verhütung: Das Geschäft der Ärzte mit der Pille

Ohne Rezept keine Pille. Deshalb müssen hunderttausende Frauen Jahr für Jahr zum Frauenarzt. Unnötig, sagen Kritiker. Nötig, finden viele Frauenärzte und missbrauchen den Arztbesuch für zusätzliche Behandlungen auf Kosten der Frauen.

Für die meisten Frauen ist der Besuch beim Gynäkologen eine lästige Pflicht. Und das jährlich wiederkehrend, denn nur so erhalten sie ein neues Rezept für die Antibabypille. Bei dieser Gelegenheit machen Gynäkologen einen generellen Gesundheitscheck. Johannes Bitzer von der Gesellschaft für Gynäkologie findet den Gang zum Frauenarzt alleine wegen des Pillenrezepts notwendig. "Man muss immer wieder abklären, ob sich die Risikofaktoren für die Pille verändert haben", sagt Bitzer. Denn das Wichtigste sei, dass der Gynäkologe jene Frauen mit einem Thromboserisiko erkenne und dieses könne sich im Laufe der Zeit verändern. Eine Thrombose ist eine Verstopfung der Venen.

Doch die Pille steigert das Thromboserisiko für Nichtraucherinnen nur minim. Ausserdem kann kein Untersuch eine Thrombose verhindern. Denn sie kündigt sich nicht an. Bitzer findet, wichtig für den jährlichen Untersuch sei neben der Abklärung des Thromboserisikos auch die Beratung rund um die Pille. "Ein grosser Teil der Schwangerschaften passiert, weil die Pille abgesetzt oder nicht richtig eingenommen wird. Und deshalb besteht auch ein Beratungsbedarf."

Die Hormondosis wird immer geringer, die Pille deshalb immer verträglicher. Für den Zürcher Kantonsapotheker Werner Pletscher macht deshalb die jährliche Beratung beim Frauenarzt wenig Sinn. "Bei der tiefen Dosis heute und bei Frauen mit geringem Risiko - also Sportlerinnen und Nichtraucherinnen - macht dies nicht mehr Sinn. Ich wäre für eine Ausweitung auf zwei Jahre." Im Kanton Zürich will die Gesundheitsdirektion bald entscheiden, ob die Rezeptdauer auf zwei Jahre verlängert werden soll.

Radikaler ist Peter Marbet von Santésuisse, dem Verband der Krankenversicherer: "Wir finden die Rezeptpflicht bei der Antibabypille unnötig. Denn dies führt dazu, dass gesunde junge Frauen zum Arzt gehen, was unnötig Kosten verursacht", sagt Marbet. Wenn eine Frau nur wegen der Pille zum ersten Mal zum Gynäkologen gehe, koste dies 50 bis 100 Franken. Das betrifft hunderttausende Frauen. "Dadurch entstehen unnötige Kosten in Millionenhöhe", sagt Marbet.

Den Gynäkologen garantiert das Pillenrezept regelmässige Kundschaft und guten Umsatz. Bei der Untersuchung macht der Arzt meistens noch einen Krebsabstrich. Und diese Kosten, rund 50 Franken, müssen meist die Frauen übernehmen. Denn die Krankenkassen zahlen nur alle drei Jahre. Professor Reto Obrist, Krebsspezialist und Autor des "Nationalen Krebsprogrammmes", sagt: "Ein Krebsabstrich alle drei Jahre genügt. Ein jährlicher Abstrich dient der Gewinnmaximierung der Gynäkologen." Den Intervall für die Krebsabstriche zu verlängern, darüber liesse sich laut Johannes Bitzer diskutieren. „Wenn Frauen bei drei bis vier Jahreskontrollen hintereinander einen normalen Befund haben, dann gibt es Hinweise darauf, dass man das Intervall verlängern könnte“, sagt Bitzer. Deutlicher wird Felix Gurtner vom Bundesamt für Gesundheit: "Ein Krebsabstrich alle drei Jahre genügt." Das BAG stützt sich dabei auf die Erkenntnisse der Amerikanischen Gesundheitsbehörde. Aufgrund dieser Daten wird der Untersuch von den Krankenkassen auch nur alle drei Jahre bezahlt. Trotzdem ordern Gynäkologen ihre Patientinnen Jahr für Jahr in die Praxis. Das Jahresrezept für die Pille ist ihre Legitimation.

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