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Doppelte Schulden wegen Lohnpfändung
Aus Espresso vom 02.11.2015. Bild: Colourbox
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Geld Wegen Lohnpfändung: Schulden verdoppeln sich

Ein junger Mann hat Steuerschulden, ihm wird der Lohn gepfändet. Doch der Arbeitgeber sackt das Geld ein, statt es beim Betreibungsamt abzuliefern. Als die Sache auffliegt, ist die Firma konkurs. Mit katastrophalen Folgen für den jungen Mann: Seine Schulden haben sich verdoppelt.

Ein Stück weit sei er selber schuld, sagt D.O. (Name der Redaktion bekannt). Zumindest daran, dass ihm das Steueramt den Lohn hat pfänden lassen.

Die Trennung von seiner damaligen Partnerin stiess den 31-jährigen Gipser in eine Krise. Er kümmerte sich um nichts mehr, liess Mahnungen unbeantwortet. Irgendwann kam Post vom Betreibungsamt Luzern.

Nach der Pfändung bleiben 2000 Franken im Monat

Existenzminimum

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Das betreibungsrechtliche Existenzminimum ist nicht für alle Personen gleich hoch. Es setzt sich zusammen aus einem monatlichen pauschalen Grundbetrag für Essen, Kleider, Wäsche, Hobbys und Wohnungsunterhalt und individuellen Zuschlägen, zum Beispiel für Miete, Krankenkasse, Versicherung und Berufsauslagen.

Bei einer Lohnpfändung berechnet das Betreibungsamt das so genannte betreibungsrechtliche Existenzminimum (siehe Kasten). Zum Existenzminimum gehört, was eine Person zum Leben unbedingt braucht: Geld für die Miete, Krankenkasse, Abonnemente für öffentliche Verkehrsmittel und Geld fürs Essen. Was darüber liegt, wird gepfändet.

In der Folge wird der Arbeitgeber angewiesen, diese gepfändete Quote vom Lohn abzuziehen und sie monatlich dem Betreibungsamt zu überweisen. O. erhielt von seinem Chef in dieser Zeit jeweils knapp 2000 Franken ausbezahlt.

Den Rest, ebenfalls knapp 2000 Franken, sollte der Chef ans Betreibungsamt abliefern. Doch nach einigen Monaten bekam O. einen merkwürdigen Anruf: «Das Betreibungsamt wollte wissen, ob ich arbeitslos sei».

Es stellt sich heraus: Der Arbeitgeber hatte die gepfändeten Quoten monatelang vom Lohn abgezogen, aber nicht überwiesen. Als O. ihn zur Rede stellt, verspricht er, sich um die Sache zu kümmern. Ein leeres Versprechen. Wenige Monate später wird über den Arbeitgeber der Konkurs eröffnet, das Verfahren aber kurze Zeit später mangels Aktiven eingestellt.

Der Chef sackt das Geld ein, statt es weiter zu leiten

O. verliert durch den Konkurs seines ehmaligen Arbeitgebers nicht nur seine Stelle, sondern auch fast 12 000 Franken. So viel hatte ihm der Chef vom Lohn abgezogen, aber nicht ans Beitreibungsamt geschickt. Dort erklärt man O., er müsse nun diese Quoten noch einmal bezahlen. Der traut seinen Augen und Ohren nicht.

Eine befreundete Anwältin interveniert. Die Antwort des Betreibungsamtes fällt knapp aus. Man habe den ehemaligen Arbeitgeber verschiedentlich gemahnt, als kein Geld mehr gekommen sei. Dieser habe aber nicht reagiert. Mehr habe man nicht tun können und auch nicht tun müssen.

Tatsächlich gibt es keine gesetzlichen Vorschriften, wie oft die Betreibungsämter die Zahlungseingänge bei Lohnpfändungen prüfen und wie rasch und intensiv sie säumige Zahler mahnen müssen. «Deshalb kann man ein Amt in einem solchen Fall auch nicht haftbar machen», erklärt Rechtsanwalt und Betreibungsrechtsspezialist Felix Meier-Dieterle. Warum man O. aber erst nach Monaten über die Zahlungsausstände informierte, mag das Betreibungsamt nicht erklären.

Gegenüber «Espresso» schreibt das Betreibungsamt Luzern, man könne aufgrund der zur Zeit zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht beweisen, ob der Arbeitgeber wirklich nicht alle Zahlungen korrekt abgeliefert hätte. Weder der Arbeitgeber noch O. hätten lückenlos alle Lohnabrechnungen vorlegen können.

Betreibungsamt will jetzt Strafanzeige erstatten

Trotzdem ist nun Bewegung in die Sache gekommen: Nach der Intervention von «Espresso» hat das Betreibungsamt den ehemaligen Arbeitgeber telefonisch einvernommen und prüft nun eine Strafanzeige.

Wer nämlich gepfändete Lohnquoten nicht dem Betreibungsamt abliefert, macht sich strafbar. Ein kleiner Hoffnungsschimmer für O. Bei einer Verurteilung kann der ehemalige Arbeitgeber unter Umständen privat auf Schadenersatz belangt werden.

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