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Apotheke verrechnet plötzlich das Vierfache.
Aus Espresso vom 19.05.2015. Bild: Keystone
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Gesundheit Apotheke verrechnet plötzlich das Vierfache

Eine Zürcher Apotheke hat quasi von heute auf morgen die Preise für gewisse Produkte massiv erhöht – aus wirtschaftlichen Gründen, wie der leitende Apotheker sagt. Das Beispiel zeigt, wie unser Gesundheitswesen unnötig belastet wird.

Patientin Susanne Müller (Name geändert) muss sich nach einer schweren Krankheit mehrmals wöchentlich selber ein Medikament injizieren. Bis vor einigen Monaten kaufte sie die dafür nötigen Spritzen und Nadeln jeweils einzeln, bis sie sich entschied, die Produkte im Multipack zu kaufen.

«Ich dachte mir, das sei günstiger.» Und tatsächlich: In der Schachtel zu 100 Stück kostet eine einzelne Nadel zwölf Rappen – im Einzelverkauf hatte Susanne Müller, respektive ihre Krankenkasse, 45 Rappen pro Stück bezahlt.

Die Freude darüber, wenigstens im kleinen Rahmen etwas zu tieferen Gesundheitskosten beitragen zu können, währte jedoch nicht lange. Als die Patientin Nachschub brauchte, traute sie ihren Augen nicht: Anstatt zwölf Franken kostete die Schachtel mit 100 Nadeln plötzlich satte 45 Franken.

«Wer weniger verlangt, hat die Hausaufgaben nicht gemacht»

Spritzenschachtel
Legende: 100 Kanülen kosteten früher 11.90 CHF (roter Kreis links) und heute 45.- CHF (roter Kreis rechts). SRF

Gekauft hatte Susanne Müller die Spritzen und Kanülen in der Bellevue Apotheke in Zürich. Der leitende Apotheker Roman Schmid macht keinen Hehl daraus, dass er letztes Jahr die Preise vieler Produkte erhöht hat. «Das ist unser Recht – es handelt sich um Preise, die vom Bundesamt für Gesundheit zugelassen sind.»

Man habe gemerkt, dass die Preise vorher zu tief waren für die Schachtel mit 100 Nadeln. Und da habe er optimiert: «Jeder Apotheker rechnet das ab, was er darf und kann», sagt Schmid zum Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1.

Dass es Apotheken gibt, die immer noch um die zehn Franken für die gleiche Schachtel mit 100 Nadeln verlangen, weiss Roman Schmid. Jedoch findet er: «Die haben ihre Hausaufgaben als Unternehmer nicht gemacht.»

Volle Unterstützung dafür gibt es vom Apothekerverband Pharmasuisse. Präsident Fabian Vaucher erklärt: «Die Apotheker sind dazu gezwungen, ihre Preise so zu kalkulieren, dass sie schwarze Zahlen schreiben.»

Der Apothekerverband merkt an, dass der wirtschaftliche Druck auf die Apotheken in den vergangenen Jahren zugenommen habe. Die Medikamentenpreise seien stark gesunken, sagt Verbandspräsident Vaucher.

«Eine Apotheke, letztendlich ein KMU, hat keine andere Möglichkeit, als bei anderen Preisen zu schrauben, bei den Personalkosten zu sparen oder aber an einen weniger attraktiven, dafür günstigeren Standort zu ziehen.»

BAG ist gefordert

Für Spritzen und Nadeln gibt es in der Schweiz einen sogenannten Höchstvergütungsbetrag (HVB), also einen Betrag, den die Krankenkasse maximal dafür bezahlt. Er liegt gemäss der sogenannten Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) bei 45 Rappen pro Stück.

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Der Betrag wurde 2006 letztmals angepasst und ist laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein «Durchschnittspreis der auf dem Schweizer Markt erhältlichen, zweckmässigen Produkte».

Für Preisüberwacher Stefan Meierhans ist klar: Die Höchstvergütungsbeträge müssen regelmässiger und vor allem «konstant» überprüft und mit dem Ausland verglichen werden. Er habe dies 2011 bereits moniert beim Bundesamt für Gesundheit. Bis anhin sei aber nicht ersichtlich, dass in diesem Bereich etwas gegangen sei.

Meierhans
Legende: Preisüberwacher Stefan Meierhans. SRF

Das BAG bestätigt, dass die MiGeL bisher nicht gesamthaft periodisch überprüft wurde. Jedoch sei das BAG derzeit daran, eine Revision vorzubereiten, bei welcher auch «ein System zur kontinuierlichen periodischen Überprüfung und Anpassung der MiGeL entwickelt und eingeführt» werden soll.

Preisüberwacher Meierhans hofft unterdessen auch auf die Patienten: «Wer sieht, dass seine Apotheke überall das Maximum verlangt, soll sich entsprechend ausrichten.» Will heissen: Wer eine Apotheke zu teuer findet, soll in einer anderen einkaufen. Für Patientin Susanne Müller kommt das nicht in Frage: «Es ist kräftemässig nicht zu schaffen in meiner Situation noch von Apotheke zu Apotheke zu rennen.»

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Onlineshop und die Apotheken: Der grosse Streit um Medikamente
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