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Bluttest: Medizinlabors schröpfen Prämienzahler
Aus Kassensturz vom 28.10.2008.
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Gesundheit Bluttest: Medizinlabors schröpfen Prämienzahler

Ärzte lassen Blut von Patienten häufig im Labor analysieren. Vor allem für Grosslabors ist lukrativ. Ein Geschäft auf Kosten der Prämienzahler. «Kassensturz» zeigt, dass Laboranalysen in der Schweiz massiv teurer sind als zum Beispiel in Deutschland. Jetzt soll damit Schluss sein.

Rentner Walter Krüsi hat Fieber und verspürt Schmerzen beim Atmen. Hausarzt Ernst Gähler vermutet eine Grippe oder gar eine Lungenentzündung. Um sicher zu gehen, will er Walter Krüsis Blut untersuchen. Die Praxisassistentin entnimmt Walter Krüsi Blut. Wie bei vielen Hausärzten macht sie die Blutanalyse im praxiseigenen Labor. Sie zählt die weissen Blutkörperchen. Diese Analyse dauert rund 10 Minuten und kostet 8.10 Franken.

Schnell verdientes Geld

Am meisten Geld mit Analysen machen Grosslabors. Blutuntersuchnungen werden im Minutentakt vorgenommen. Zum Beispiel in La Chaux de Fonds: Ein Computer analysiert nicht bloss die weissen Blutkörperchen, sondern innerhalb 2 bis 3 Minuten das komplette Blutbild. Kosten: 22.50 Franken. Schnell verdientes Geld, dank modernster Technik. Die Laboranalysen kosten die Prämienzahler über eine Milliarde Franken pro Jahr – unnötig viel.

Die Analyse von Ferritin, dem Eisen im Blut, kostet in Deutschland umgerechnet in Schweizer Franken 7.99. In der Schweiz 20.70 Franken. Das sind 159 Prozent mehr. Für die häufigste Analyse Thyreotropin, welche die Funktion der Schilddrüse anzeigt, verlangen deutsche Labors 4.89 Franken. Laboratorien in der Schweiz: 24.30 Franken. Preisdifferenz fast 400 Prozent. Und der sogenannte CRP-Wert, der eine Entzündung nachweist, kostet in der Schweiz sogar knapp 500 Prozent mehr.

Handarbeit im Tarif

Riesige Preisunterschiede und das schon seit Jahren. Jetzt endlich handelt das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Im nächsten Jahr will das BAG neue Tarife einführen und die Laborpreise senken. Denn die Analyseliste sei über 15 Jahre alt. «Seither hat sich die Technologie massiv verändert. Die Tarife der Analysen sind heute nicht mehr aktuell», sagt BAG-Vizedirektor Peter Indra.

Im Klartext: Für vollautomatische Analysen in Grosslabors müssen die Prämienzahler seit Jahren einen veralteten Tarif berappen, der ursprünglich für Handarbeit berechnet wurde. Das BAG sagt: Mit den neuen Laborpreisen sparen Krankenkassen jährlich rund 250 Millionen Franken.

Dass Grosslaboratorien bei einigen Analysen sehr gut verdienen, bestreitet der Präsident des Verbandes der Laborleiter Hans H. Siegrist nicht. Der Preisvergleich mit Deutschland sei jedoch problematisch. «Man hat dort eine Konzentration von Grosslabors, die mit sehr langen Analysenserien arbeiten.» Die Entstehungskosten seien dadurch niedriger als in der Schweiz, wo ein dezentralisiertes System mit mehreren Labors in verschiedenen Regionen und zusätzlichen Praxislabors die Kosten in die Höhe treiben, so Siegrist.

«Reine Angstmacherei»

Allerdings: Auch nach der Tarifsenkung wären die Preise im Schnitt noch immer 3,5 Mal so teuer wie in Deutschland. Felix Schneuwly von Santésuisse kritisiert, dass Grosslabors heute wegen überhöhter Tarife viel zu viel kassieren: «Es ist wichtig, dass kein Geld versickert, das dem Patienten nichts bringt.»

Auch Ärzte wehren sich gegen die Preissenkungen. Für einige sind Laboranalysen ein lukratives Zusatzgeschäft. Je mehr Untersuchungen, desto mehr Einkommen. Nun sehen sie ihre Praxislabors gefährdet. Ernst Gähler: «Wenn das so durchkäme, müsste ich mir ernsthaft überlegen, ob ich das Praxislabor noch betreiben kann.» Würden die Blutproben im Grosslabor ausgewertet, erhalte er die Resultate erst am nächsten Tag. «Also müssten die Patienten noch einmal in die Praxis kommen, um die Therapie einleiten zu können», bemängelt Gähler.

Das sei reine Angstmacherei der Hausärzte, sagt das Bundesamt für Gesundheit. Denn als Kompensation für die Preissenkung erhalten die Hausärzte künftig eine zusätzliche Entschädigung für Laboruntersuchungen.

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