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Aufmüpfige Bauern werden kaltgestellt
Aus Kassensturz vom 25.01.2011.
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Konsum Aufmüpfige Bauern werden kaltgestellt

Im Eierhandel herrschen raue Sitten. Bauern klagen, dass sie ihre Futterlieferanten nicht frei wählen können. Futterhersteller sagen, sie müssten dem Eierhändler Schmiergeld bezahlen. Wie der Betrieb einer Bauerfamilie bedroht ist, weil sie selbst über ihre Eierproduktion bestimmen wollte.

Der Hühnerbetrieb von Rolf Hunkeler im luzernischen Altishofen steht bald ohne Abnehmer für seine jährlich 3,5 Millionen Eier da. Sein Eierhändler hat den Vertrag gekündigt. Hunkeler befürchtet das Ende für seinen Betrieb mit 12'000 Hühnern. «Die Familie leidet auch darunter. Man weiss nie genau, was morgen ist. Auf wen man sich verlassen kann, auf wen nicht.»

Mit Eierhändler überworfen

Familie Hunkeler hat sich mit dem Eierhändler Lüchinger und Schmid (L+S) überworfen. Hunkeler hatte sich gegen eine Preissenkung gewehrt. Zudem habe Händler L+S diktiert, bei wem er sein Futter und seine Junghennen kaufen müsse. «Wir dachten eigentlich, wir könnten den Futterlieferanten selber bestimmen», erklärt Hunkeler. Doch das sei nicht toleriert worden.

Futtermühle kritisiert versteckte Zahlungen

Bauer Hunkeler will das Futter weiterhin bei den Egli-Mühlen in Nebikon beziehen, einem traditionsreichen Familienunternehmen. Doch Egli steht bei Lüchinger und Schmid nicht mehr auf der Liste der akzeptierten Futterhersteller. Egli weigert sich, dem Eierhändler weiterhin Zahlungen abzuliefern. Firmenchef Kurt Egli sagt: Wer Eierbauern, die für Lüchinger und Schmid produzieren, Futter verkaufen wolle, müsse L+S Geld zuhalten. «Es gibt ganz verschiedene Begriffe, die man für diese Zahlungen braucht. Wir in der Branche reden von Schutzgeldzahlungen, damit man berechtigt ist, Futter zu liefern.»

Machenschaften sorgen für Schlagzeilen

Das System geheimer Zahlungen wurde letztes Jahr publik. Es funktioniert so: Der Futterproduzent liefert dem Bauern Futtermittel. Dieser verkauft die Eier an seinen Eierhändler. Der Futterhersteller muss dem Eierhändler Geld überweisen. Nur dann darf der Bauer bei diesem Futterhersteller Futter kaufen. Solche Zahlungen verteuern die Eier. Die Machenschaften im Eierhandel sorgten für Schlagzeilen. L+S reagierte, erklärte vor einem Jahr, es gebe die freie Wahl der Produktionsmittel.

Doch im Sommer stellte L+S eine neue Geldforderung an die Egli-Mühlen. Egli sollte für ein Audit und den Unterhalt eines Qualitätssystems 36'000 Franken bezahlen. Dies sei eine neue Masche, um unberechtigte Zahlungen zu kassieren, kritisiert Kurt Egli. Der Betrag sei völlig überrissen. «Das ist nur ein Vorwand, um wieder zu Geld zu kommen. Vor allem auch, wenn man die Kosten sieht, die sie uns aufbürden wollen für die QS-Kontrollen. Das ist weit über dem, was üblich ist.»

Rückverfolgbarkeit sei wichtig

Rudolf Schmid, Geschäftsführer von Lüchinger und Schmid, bestreitet die Vorwürfe. L+S habe Bauer Hunkeler gekündigt, weil dieser einen neuen Abnehmer gesucht habe. Es habe ein Lieferausfall gedroht, weshalb ein anderer Bauer unter Vertrag genommen wurde. L+S ist einer der grössten Eierhändler der Schweiz. In Kloten kontrolliert, codiert und verpackt das Unternehmen 120'000 Eier pro Stunde. Die Qualitätssicherung bei den Futtermühlen sei nötig für die Rückverfolgbarkeit, betont Schmid. Die Kosten seien keineswegs überrissen.

Eigene Kontrolle notwendig

Rudolf Schmid erklärt: «Lüchinger und Schmid AG hat ein prozessorientiertes Qualitätssicherungssystem aufgebaut und es bei den drei grössten Mühlen in der Schweiz implementiert.» Für ihn sei völlig unverständlich, warum sich der Verband und Egli-Mühlen dagegen wehrten, dass L+S Kontrollen durchführe. «Es hat sich nämlich gezeigt, dass die eigenen Kontrollen in Deutschland nicht genügt haben, den Dioxinskandal zu verhindern.»

Die Kontrolle durch den Eierhändler sei unnötig, widerspricht Rudolf Marti vom Futtermittel-Verband. Die Mühlen würden bereits mehrfach kontrolliert und zertifiziert. Zudem seien die Kosten für das Audit viel zu hoch. Wenn eine Futterfirma nicht zahle, habe dies fatale Folgen für die Bauern, unterstreicht Marti. «Der Bauer ist dann auch draussen. Das ist eigentlich die ganze tragische Situation, dass mit dieser Machtdemonstration auch die Bauern zu Schaden kommen.»

Bauer nimmt Migros in die Pflicht

Die Situation der Bauernfamilie Hunkeler ist ungemütlich. Rolf Hunkeler suchte Hilfe bei der Migros. Denn Lüchinger und Schmid liefert seine Eier an die Migros. Der Grossverteiler wirbt auf der Website mit Familie Hunkeler. Hunkeler möchte die Migros direkt beliefern. Schon vor der Kündigung hat er angefragt. Zehn Jahre hätte sein Betrieb Eier für die Migros produziert. «Die Migros hat dann mit uns Werbung gemacht. Jetzt lässt sie uns ein wenig im Stich.»

Die Migros wickelt ihr Eiergeschäft seit 2008 über zwei grosse Eierhändler ab, einer davon: Lüchinger und Schmid. Nur ganz wenige Eierproduzenten wie Jörg Rieder in Gelterkinden können die Migros noch direkt beliefern: Seit Jahren sortiert und packt Rieder die Eier selbst ab. Das ist ein Vorteil bei der Beschaffung der Produktionsmittel. «Ich habe gehört, dass es Rückzahlungen von Futtermühlen und Hühnerlieferanten gibt», erklärt Rieder. «Bei mir ist das nicht der Fall.» Er wolle selber entscheiden, woher er die Hühner und das Futter nehme. Bei Rolf Hunkeler ist das anders. Zwar hat er ein Angebot eines anderen Abnehmers erhalten. Doch auch dort könne er seine Lieferanten nicht selbst wählen.

Migros gegen Knebelverträge

Die Migros nimmt nur schriftlich Stellung: Sie sagt, sie dulde keine Knebelverträge. Die Bauern müssten die Lieferanten frei wählen können. Doch Qualitätskontrollen des Futters durch den Eierhändler seien notwendig. Zum Fall der Familie Hunkeler schreibt die Migros: «Selbstverständlich haben wir Verständnis für die Situation der Bauernfamilie Hunkeler. Diese hat uns angefragt, ob sie uns ausserhalb der Eier-Plattform beliefern könne. Dies ist aber innerhalb der laufenden Verträge nicht möglich.» Erst bei einer nächsten Ausschreibung könne geprüft werden, ob Hunkeler die Migros direkt beliefern kann.

Die Wettbewerbskommission (Weko) führt gegenwärtig eine Voruntersuchung wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die Eierhändler und unzulässigen Wettbewerbsabreden durch. Diese Voruntersuchung sei voraussichtlich Ende März abgeschlossen, teilt die Weko mit.

Preisvergleich Freilandeier

gekauft am 19. Januar 2011

Detail-
 händler

Bezeichnung

Preis /
 Schachtel

Anzahl
 Eier

Preis / Ei

Coop

Naturafarm

4.10

6

0.68

Coop

Naturafarm 1)

3.45

6

0.58

Migros

Freiland

3.50

6

0.58

Denner

Freilandeier

2.95

6

0.49

Lidl

Freilandeier

2.95

6

0.49

Aldi

Import
 Freilandeier 2)

2.99

10

0.30

 1) An diesem Tag Aktion
 2) Nur 10er-Schachtel erhältlich

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