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Bio-Schwindel: Ökologisch unsinnige Importe
Aus Kassensturz vom 06.10.2009.
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Konsum Bio-Schwindel: Ökologisch unsinnige Importe

Schweizer Fleisch wird immer mehr mit Futter aus der ganzen Welt produziert. Auch für die Produktion von Bio-Fleisch und Bio-Eiern wird Futter in die Schweiz gekarrt. «Kassensturz» deckt auf: Bei Bio-Produkten verbrauchen Bauern besonders viel ausländisches Futter. Das erfahren Konsumenten nicht.

Gras und Heu – das Raufutter – finden Kühe auf Schweizer Bio-Höfen in rauen Mengen. Anders beim Kraftfutter, wie Mais oder Soja. Der Zürcher Bauer Hansjörg Schneebeli baut Futtermais an. Er lässt seine Pflanzen von Bioberater Niklaus Steiner begutachten. Steiner koordiniert im Auftrag von Bio Suisse den Markt für Bio-Getreide. Nur der kleinste Teil kommt aus der Schweiz. «Futtergetreide werden hauptsächlich importiert aus Osteuropa: Ukraine, Polen, Rumänien, Ungarn. Körnermais aus Italien. Die Eiweisskomponenten vorwiegend aus Südamerika, Argentinien, Brasilien», sagt Niklaus Steiner.

80 Prozent Importanteil bei Bio-Futtergetreide

Brasilianische Soja kommt nach tausenden Kilometern Transportweg am Rheinhafen Basel an. Jedes Jahr werden 35'000 Tonnen Rohstoffe für Bio-Kraftfutter importiert: Getreide und Eiweisspflanzen wie Soja. Der Importanteil beim Bio-Futtergetreide beträgt 80 Prozent. Eiweissträger wie Soja gibt es hierzulande kaum in Bio-Qualität – ganze 97 Prozent stammen aus dem Ausland.

Wendy Peter mahlt das Kraftfutter für ihre Tiere jeden Tag selbst: mit Gerste, Hafer und Ackerbohnen vom eigenen Hof. Peter arbeitet für die Welternährungsorganisation. Sie weiss: Nährstoffe, die wir als Futter importieren, fehlen im Ausland. Und in der Schweiz sorgen sie für überdüngte Böden. Deshalb sind für die Bio-Bäuerin Getreide aus der Ukraine und Soja aus Brasilien inakzeptabel. Wendy Peter: «Mich stört, dass auch die Bio-Bewegung jetzt diese Vogelperspektive auf die Welt einnimmt. Dass man also Futter vom einen Ende der Welt zum anderen verschiebt.» Das stimme mit dem Grundverständnis von Bio mit den geschlossenen Kreisläufen nicht überein.

«Hauptsache Bio»: Diesen Grundsatz verteidigt Bio-Suisse-Präsidentin Regina Fuhrer. Die Biobäuerin sagt, der Konsument erwarte, dass Bio-Tiere Bio-Futter fressen. Bio Suisse fördere auch im Ausland die nachhaltige Landwirtschaft und importiere nach strengen Richtlinien. Regina Fuhrer: «Wir sagen klar, man muss zuerst Schweizer Produkte brauchen. Dann kommen die Nachbarländer.» Wenn es aus Übersee stamme, gelte ein klares Flugverbot. «Das Getreide oder die Soja kommt per Schiff», unterstreicht Fuhrer.

Wenn Milchkühe nur noch Gras fressen, ist das Importproblem entschärft. In der Schweiz laufen Projekte zur Züchtung von Vieh, das ganz ohne Kraftfutter auskommt. Bei Hühnern und Schweinen ist das nicht möglich. Gras picken zwar auch die Legehennen auf dem Hof von Bio-Bauer Köbi Treichler. Das Grün von der Weide reicht aber nur für 10 Prozent der Ration. Der Rest ist Kraftfutter. 85 Tonnen pro Jahr - vor allem aus dem Ausland: Abends gibt es Körner. Und sieben Mal täglich bekommen die Hühner ein Mehlgemisch von der Futtermühle. Das Huhn ist ein Spitzensportler, sagt Köbi Treichler. «Also alle Tage ein Ei, das ist enorm.» Und da brauche es wirklich bestes Futter. Bestes Futter heisse Kraftfutter.

Ohne ausländisches Futter keine Bio-Hühner. Bio-Produkte boomen, doch der Futteranbau in der Schweiz hinkt hinterher. Die Folge: Importe von Eiweissträgern wie Bio-Soja sind in den letzten fünf Jahren von 3000 Tonnen auf über 10'000 Tonnen gestiegen. Eine Zunahme von 225 Prozent. Dem Konsumenten bleibt dies verborgen.

Getrübtes Bio-Idyll

Wer nach Vorgaben der Bio Suisse produziert, darf seine Ware mit der begehrten Knospe kennzeichnen. Das Label mit Schweizer Fahne verspricht: Das Produkt besteht zu 90 Prozent aus in der Schweiz angebauten Rohstoffen. Bei vielen Produkten ist das ein Etikettenschwindel, denn die Schweizer Knospe tragen auch Schweinefleisch, Pouletfleisch und Eier. Dies, obwohl die Tiere zum Grossteil Importfutter fressen. Bio Suisse verteidigt das Label. Regina Fuhrer: «Die Schweine oder Hühner sind in der Schweiz geboren. Ihre Eltern sind auch schon Schweizer. Sie haben also quasi den Schweizer Pass.» Sie seien auf Knospen-Höfen, nach den Richtlinien zu Tierhaltung oder Fütterung aufgewachsen.

Wendy Peter bleibt kritisch. Der Umgang mit Futtermittelimporten gefährde auch die Glaubwürdigkeit der Bio-Bewegung, die den Mut haben müsste, zu sagen, wir können nicht mehr Bio-Eier liefern. «Zuerst müssen wir unsere Hausaufgaben machen, zuerst müssen wir schauen, wie wir unsere Hühner füttern können», sagt Peter.

Hohe Bio-Qualität gibt es nur dank unökologischen Futterimporten. Diese Bilanz trübt das Bio-Idyll.

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