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Fehlerhafte Skibindungen: Gefahr verheimlicht
Aus Kassensturz vom 24.02.2009.
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Konsum Fehlerhafte Skibindungen: Gefahr verheimlicht

Horrorvorstellung: Bei voller Fahrt öffnet sich unverhofft die Skibindung. Vielen Fahrern, die mit Bindungen des gleichen Herstellers unterwegs waren, ist das passiert – sie stürzten und erlitten teils gravierende Verletzungen. Die Firma kannte das Problem während Jahren, ohne etwas dagegen zu tun.

Skilager in Saanenmöser im Berner Oberland: Seit vielen Jahren begleitet Bruno Schmid die Schulkinder als Skileiter. Eine gute Ausrüstung ist wichtig. Dazu gehört auch eine sichere Skibindung. Bei einem Sturz muss sie sich öffnen, in voller Fahrt hingegen den Fliehkräften standhalten.

Gravierender Fehler

Wegen einer fehlerhaften Bindung erlebte Bruno Schmid im Januar 2006 eine böse Überraschung. Als er losfahren wollte, löste sich der Ski. «Ich merkte sofort, etwas ist kaputt, der Fersenautomat funktioniert nicht mehr», erzählt Schmid. Gewisse Bindungen der Skifirma Atomic können ganz unerwartet auslösen. Die Folge: ein Sturz des Skifahrers.

Viele Modelle von Atomic aus den Jahren 1998 bis 2002 haben diesen gravierenden Fehler. Skileiter Bruno Schmid hatte Glück. Nicht bei jedem Skifahrer löste sich die Bindung bereits beim Losfahren. «Kassensturz» kennt Fälle, bei denen sich die Bindung in voller Fahrt öffnete. Die Folgen sind schwerwiegend, wie das Röntgenbild eines 41-jährigen Skifahrers zeigt: Komplizierter Handbruch, mehrere Operationen im Spital, heftige Schmerzen und 100 Prozent Arbeitsunfähigkeit.

Anwalt eingeschaltet

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung BfU kennt weitere schlimme Unfälle auf der Piste wegen fehlerhaften Skibindungen. «Wir haben Kenntnis von einem Skifahrer, der vor gut einem Jahr verunfallte, mit einer Atomic-Bindung. Diese Person erlitt schwerste Schädel-Hirnverletzungen, ist stellenlos und kann wahrscheinlich nicht mehr arbeiten», sagt Monique Walter, Schneesportverantwortliche bei der BfU. In diesem Fall hat sich nun ein Rechtsanwalt eingeschaltet.

Urs Brotschi führt ein kleines Sportgeschäft. Die fehlerhaften Bindungen kennt er bestens. In seiner Werkstatt hat er mittlerweile rund 100 Fersenteile ausgewechselt. Das Problem: Die Kunststoffbindungen brechen, teilweise sei das sichtbar. «Und wenn wir nichts sehen, stellen wir spätestens auf dem Prüfgerät fest, dass etwas nicht in Ordnung ist», sagt Brotschi.

Späte Rückrufaktion

Erst Ende letzten Jahres hat Atomic reagiert und die gefährlichen Bindungen zurückgerufen. 20 verschiedene Modelle aus der Produktionszeit von 1998 bis 2002 dürfen ab sofort nicht mehr verwendet werden. Mit anderen Worten: Atomic liess zu, dass Kunden während Jahren mit mangelhaften Ski-Bindungen unterwegs waren.

Auch Skilehrer und Sportladenbesitzer Ueli Lüscher kennt das Problem. In Fachkreisen – unter Skilehrern und bei Ski-Serviceleuten – seien die fehlerhaften Bindungen von Atomic seit Jahren ein Thema. Doch jahrelang verheimlichte Atomic das Problem und brachte ihre Kunden in grosse Gefahr.

BfU: Verwunderung

«Kassensturz» trifft einen Skilehrer, der seit langem für Atomic Werbung macht. Er will anonym bleiben. Er stürzte wegen einer fehlerhaften Bindung. Atomic verschwieg auch ihm die Gefahr. «Ich finde es schlimm, dass die Leute nicht informiert werden und wir so etwas repräsentativ vertreten, obwohl wir gar keine Ahnung haben.»

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung ist zuständig für die Sicherheit von Skibindungen. Monique Walter wundert sich, weshalb Atomic die fehlerhaften Bindungen erst vor kurzem zurück rief: «Ich finde es komisch, dass der Rückruf erst jetzt erfolgt, wenn offensichtlich bekannt ist in der Szene, dass die Probleme schon lange existieren.»

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