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Geklaute Kreditkartendaten: Masche des Betrugs
Aus Kassensturz vom 09.02.2010.
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Konsum Geklaute Kreditkartendaten: Masche des Betrugs

Der Trick ist so simpel: Betrüger besorgen sich gestohlene Kreditkartendaten, bestellen teure Geräte in Onlineshops und spannen naive Schweizer Mittelsmänner ein, die im Nebenverdienst die Päckli dann ins Ausland weiterleiten. «Kassensturz» zeigt das raffinierte Vorgehen der Banden.

Roland Riedweg, seit zehn Jahren Wirt am Zürichsee, meldete sich Ende Dezember 2009 auf ein Stelleninserat. Er dachte, es handle sich um einen kleinen Nebenverdienst – und ahnte nicht, dass er damit zum Handlanger für Kreditkartenbetrüger aus Russland wird. Auch Leasing-Spezialist Ewald Siegrist war bis vor wenigen Tagen ein Schweizer Mittelsmann für Kreditkartenbetrüger. Er wusste nicht, dass diese unter seinem Namen teure Geräte bestellten. Ewald Siegrist: «Mein Auftrag war, Pakete entgegenzunehmen und an verschiedene Adressen im Ausland weiterzuleiten.»

Vorgegaukelte Seriosität

Ein Inserat im «Tages-Anzeiger», in dem Handelsmanager gesucht werden, weckte sein Interesse. Ewald Siegrist glaubte an ein seriöses Angebot. Die Firma Euroroute schreibt, sie sei seit zehn Jahren im Geschäft. Euroroute ermögliche den Russen, günstige Elektronikartikel zu kaufen. Viele Internetshops würden nämlich nicht nach Russland liefern. Deshalb brauche es die Handelsmanager, welche die Ware weiterleiten. Ewald Siegrist bewarb sich und erhielt kurz darauf einen Vertrag. Bezahlung: 30 Franken pro weitergeleitetes Packet.

Ein Lügenkonstrukt: In Tat und Wahrheit stecken Kreditkartenbetrüger dahinter, welche Schweizer Onlinehändler wie Frederic Steinfels bestehlen. Darüber hat «Kassensturz» schon im letzten November berichtet. Dem Inhaber des Internetshops Highdefinition entstand dadurch einen Schaden von 10‘000 Franken. Seit Januar läuft eine neue Betrugswelle. Dieses Jahr hatte Frederic Steinfels bereits 20 betrügerische Bestellungen im Wert von fast 50‘000 Franken. Die ehrlichen Kunden von den Betrügern zu unterscheiden, werde immer schwieriger. Frederic Steinfels beschreibt den «perfekten» Betrug: «Bestellung unter einer Schweizer IP-Adresse mit einer gestohlenen Kreditkartennummer und Lieferung an einen Käufer in der Schweiz.»

Betrüger bleiben anonym

Und so funktioniert die Handelsmanager-Masche: Der Kreditkartenbetrüger sucht in der Schweiz per Inserat sogenannte Handelsmanager und schliesst mit ihnen einen Vertrag ab. Danach bestellt der Betrüger Waren bei Onlineshops und bezahlt mit gestohlenen Kreditkartendaten. Die Onlineshops schicken die Ware an die Adresse der Handelsmanager in der Schweiz. Gleichzeitig verkauft der Kreditkartenbetrüger die Ware, kassiert das Geld und schickt die Adresse an den Handelsmanager. Dieser schickt das Paket weiter an den Käufer. Der Betrüger ist so nie im Besitz der Ware und bleibt anonym.

Doch als die ersten Pakete bei Ewald Siegrist eintrafen, wurde er misstrauisch: «Wir mussten feststellen, dass die Rechnung auf unseren Namen lautet. Es sah so aus, als hätten wir selbst bestellt, als wären wir die Eigentümer der Ware.» Ewald Siegrist schrieb Euroroute und fragte: Muss man von einem Kreditkartenbetrug ausgehen? Die Antwort der angeblichen Anna Buckner von Euroroute: «Wir die Diebe? Sie wahnsinnig. Bald bekommen Sie das letzte Paket. Sie werden es absenden und danach bekommen Sie volle Abrechnung.» Doch Ewald Siegrist verständigte stattdessen die Polizei.

Immer mehr Handelsmanager

Dass die Gauner derart dreist vorgehen, hat auch Urs Widmer, Leiter der Abteilung Delikte im Zahlungsverkehr der Kantonspolizei Zürich, noch nie erlebt. Widmer verfolgt seit langem Kreditkartenbetrüger. Er spricht von einer neuen Dimension: «Da werden Inserate bei grossen Tageszeitungen geschalten und gut gestaltete Webseiten eingerichtet.» Das Echo sei gross. «Ich bekomme täglich Anrufe von Personen, die Pakete angenommen und weitergeschickt haben», sagt Widmer.

Selbst die Stelleninserate in grossen Tageszeitungen und Online-Stellenportalen haben die Betrüger anonym platziert und mit gestohlenen Kreditkartendaten bezahlt. Um sich vor Betrügern zu schützen, telefoniert Frederic Steinfels bei teuren Produkten vorgängig mit den Empfängern. Dabei stösst er immer öfter auf die sogenannten Handelsmanager. Frederic Steinfels: «Die meisten fallen aus allen Wolken und kontaktieren die Polizei. Es gibt aber auch solche, die sagen, ich mache weiter, bis die Polizei bei mir auf der Matte steht.»

Sofort bei der Polizei melden

Auch Roland Riedweg erhielt einen Anruf von Frederic Steinfels. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits vier Pakete nach Russland weitergeleitet. Nach dem Telefon reagierte der Wirt schnell. Roland Riedweg: «Ich rief sofort bei der Kantonspolizei an und versuchte, die Pakete wieder zurückzuholen.» Das sei ihm auch gelungen. Wer wie Roland Riedweg auf ein solches Inserat hereingefallen ist, sollte sich ebenfalls umgehend bei der Polizei melden und keine Päckchen mehr verschicken. Denn wer Pakete weiterleitet, obwohl er gewarnt geworden ist, macht sich strafbar.

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