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«Krebs-Hilfe» verschwendet Spendengeld
Aus Kassensturz vom 15.11.2011.
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Konsum «Krebs-Hilfe» verschwendet Spendengeld

Mit einem aufwändigen Bettelbrief wirbt die «Stiftung Krebs-Hilfe» um Spenden. Diese sollen unter anderem für Krebs-Forschung eingesetzt werden. Nur: Der allergrösste Teil der Spenden fliesst in immer neue Spendenbriefe. «Kassensturz» sagt, wohin die Gelder wirklich fliessen.

«Für ein Leben ohne Krebs», heisst es in den Spendenbriefen der «Krebs-Hilfe». Eine gemeinnützige und steuerbefreite Stiftung mit Sitz in Zürich. Glücklicherweise gebe es «vielversprechende Entwicklungen» gegen die lebensbedrohliche Krankheit, macht der Bettelbrief Mut. Diesen Kampf gegen Krebs gelte es zu unterstützen. Die Stiftungs-Präsidentin Mariëtta Gautschi bedankt sich im Brief für «Ihre grosszügige Unterstützung im Kampf gegen Krebs».

Nichts mit Krebsliga zu tun

Die «Stiftung Krebs-Hilfe» kann leicht mit der «Krebsliga Schweiz» oder der «Stiftung Krebsforschung Schweiz» verwechselt werden. Vielleicht nicht ganz ungewollt. Beide Organisationen betonen, sie hätten mit der «Krebs-Hilfe» nichts zu tun und distanzieren sich explizit von der Stiftung.

Druckerei-Kürzel unerlaubt verwendet

Das Kürzel der Druckerei Lerchmüller in Schinznach
Legende: Das Kürzel der Druckerei Lerchmüller in Schinznach SRF

Einen solchen Spendenbrief hat auch die Druckerei Lerchmüller in Schinznach Dorf erhalten. Geschäftsführer Rolf Dörig ärgerte sich gewaltig über den beigelegten Einzahlungsschein. Obwohl sehr schlecht gedruckt, sollte dieser aus seiner Druckerei stammen. «Mir ist gleich aufgefallen, dass er unser Druckerei-Kürzel drauf hat.»

Dörig wollte sofort bei der «Stiftung Krebs-Hilfe» intervenieren. Ohne Erfolg: «Ich habe mehrmals vergeblich angerufen. E-Mails wurden immer zurück geschickt. Das kam mir sehr dubios vor.»

Stiftung nicht erreichbar

Weil sich weitere Zuschauer mit der Frage melden, wie seriös die «Krebs-Hilfe» sei, geht «Kassensturz» der Sache nach. Doch auch wir erreichen die Stiftung weder telefonisch noch per E-Mail. An der prominenten Adresse am Zürcher Limmatquai 70 findet sich im ganzen Haus kein Büro der Stiftung. Nur ein Briefkasten. Und auch das erst, seitdem sich «Kassensturz» für die Stiftung interessiert. Post an die Stiftung landet aber nicht hier, sondern wird nach Hinwil umgeleitet - in ein anonymes Postfach.

Das meiste Geld fliesst in neue Spendenbriefe

Auf einen eingeschriebenen Brief meldet sich die Stiftung schliesslich und legt auch einige Zahlen vor. Diese erstaunen: 2010 hat die «Krebs-Hilfe» rund 298‘000 Franken an Spenden eingenommen. Davon wurden rund 270‘000 Franken für «Mailings» verwendet. Darunter versteht man das Erstellen und Versenden von Spendenbriefen. Mit anderen Worten: Die «Krebs-Hilfe» hat 90 Prozent der Spendengelder verwendet, um neue Bettelbriefe zu versenden. Der Rest wurde für Administration verwendet. In den Jahren davor sieht es ähnlich aus.

Auf der Warnliste der Zewo

«Das ist natürlich nicht das, was die Spenderinnen und Spender erwarten. In den Sammelbriefen ist die Rede von Patientenstudien, von Forschung an Universitäten, von Unterstützung und Beratung von Betroffenen», kritisiert Martina Ziegerer, Geschäftsführerin der Stiftung Zewo. Diese vergibt das Zewo-Label an vertrauenswürdige Spenden-Organisationen. Die Zewo stuft die «Krebs-Hilfe» schon seit längerem als intransparente Spendenorganisation ein. Aufgrund der «Kassensturz»-Recherchen hat sie die «Krebs-Hilfe» inzwischen auf ihre Warnliste gesetzt. «Es ist nicht klar, was hier mit dem Geld passiert. Wir raten von Spenden ab!»

Stiftung weist Kritik zurück

Jacobus van der Wolk, Stiftungs-Direktor «Krebs-Hilfe»
Legende: Jacobus van der Wolk, Stiftungs-Direktor «Krebs-Hilfe» SRF

Nach langem Hin und Her ist der Stiftungs-Direktor der Krebs-Hilfe zu einem Interview bereit. Jacobus van der Wolk, ein Holländer mit Wohnsitz in den Niederlanden, weist alle Kritik zurück. Obwohl die Stiftung seit 2003 existiert, sei man immer noch in der Aufbauphase. Deshalb sei es ganz normal, so viel Geld für Mailings zu verwenden. Dass der Spender davon nichts erfährt, findet van der Wolk kein Problem: «Keine Stiftung in ganz Europa sagt den Spendern exakt, was mit den Spendengeldern passiert.»

Verwirrende Aufklärungsbroschüre

Ausserdem leiste man mit den Spendenbriefen wertvolle Aufklärungsarbeit zum Thema Krebs. Das sei ein Hauptziel der Stiftung. Erreichen will das die «Krebs-Hilfe» mit einer den Spendenbriefen beigelegten Informationsbroschüre.

Von dieser Broschüre hält Christoph Renner, Leiter Innere Medizin-Onkologie am Universitätsspital Zürich, nichts. Die Informationen seien schon für ihn als Onkologen verwirrend. «Es werden verschiedene Inhalte vermischt. Für den Laien ist das aus meiner Sicht irreführend und hilft nichts.» Das Faltblatt könne getrost entsorgt werden.

Diese Art der Spendensammlung würde seriösen Organisationen schaden, ärgert sich Krebs-Spezialist Renner: «Ich habe den Eindruck, dass hier Geld gesammelt wird für einen unklaren respektive dubiosen Verwendungszweck.»

Fehler der ausländischen Druckerei

Stiftungsdirektor Jacobus van der Wolk kann diese Kritik nicht verstehen. Er könne Onkologen anführen, die eine andere Meinung vertreten. «Unserer Meinung nach ist die Broschüre sehr brauchbar für den Laien.» Das würden Reaktionen von Empfängern zeigen.

Und zur Frage, wie das Druckerei-Kürzel der Firma Lerchmüller auf die Einzahlungsscheine der Stiftung kommt, hat van der Wolk eine knappe Antwort bereit: «Das war ein bedauerlicher Fehler der Druckerei im Ausland.» 

Eidgenössische Stiftungsaufsicht

  • Die Stiftungen in der Schweiz werden von der eidgenössischen Stiftungsaufsicht beaufsichtigt. Die Behörde muss gemäss Gesetz dafür sorgen, «dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird».
  • Bezüglich der «Krebs-Hilfe» schreibt die Stiftungsaufsicht dem «Kassensturz»:  «Bis anhin bestand kein Anlass für eine aufsichtsrechtiche Intervention». Es lägen bislang keine Hinweise dafür vor, dass die vom Stiftungsrat mitgeteilte Tätigkeit nicht vom Stiftungszweck erfasst würde. Allerdings sei die Prüfung für das Geschäftsjahr 2010 noch nicht abgeschlossen. Mehr will die Behörde zum Thema nicht sagen, da das Gesetz hier keine Auskunftspflicht vorsieht.
  • Die Stiftungsaufsicht hat im letzten Jahr mittels Verfügung die Stiftung «United Organisations Health Care» mit Sitz in Zürich aufgehoben. Auch in dieser Stiftung war der Holländer Jacobus van der Wolk Stiftungsrats-Direktor. Zu den Gründen, warum die Aufsicht die Stiftung geschlossen hat, kann sie nichts sagen.
  • Die eidgenössische Stiftungsaufsicht kontrolliert über 3400 Stiftungen anhand des Tätigkeitsberichtes, der Jahresrechnung und des Revisionsberichtes. Für diese Aufgabe stehen der Behörde insgesamt  6,2 Stellen zur Verfügung. Interventionen aufgrund von Unregelmässigkeiten seien relativ selten und würden aus unterschiedlichen Gründen erfolgen, heisst es bei der Behörde.

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