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Schweizer Wild: Wirte schummeln bei Herkunft
Aus Kassensturz vom 27.10.2009.
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Konsum Schweizer Wild: Wirte schummeln bei Herkunft

Restaurants bieten Rehschnitzel oder Hirschpfeffer an – und erwecken dabei gerne den Eindruck, ihr Wildfleisch stamme aus der Schweiz. Doch Fakt ist: Das meiste Wild stammt aus ausländischen Zuchten. Eine «Kassensturz»-Stichprobe zeigt, dass Wirte bei der Herkunftsdeklaration schummeln.

«Kassensturz» schickt vier Fahnder auf die Jagd. Sie fahren quer durch die Schweiz und besuchen über 30 Restaurants. Erste Station: Das Restaurant Schäfli in Winterthur.

Ein Blick in die Wildkarte zeigt: Alles ist sauber deklariert. Das Wildschwein kommt aus Ungarn, das Rehschnitzel aus Italien und der Hirsch stammt aus Neuseeland. Warum so ausführlich? Wirtin Eva Pavlik: «Weil das die Leute interessiert. Viele wollen Fleisch aus der Schweiz.»

Schweizer Fleisch – aus Österreich

Längst nicht alle Wirte deklarieren derart kundenfreundlich. Beim Kornhauskeller in Bern erfahren wir nicht, woher das Rehgeschnetzelte kommt. Ein Versehen, gibt man später zu. Auf der Pirsch kommt «Kassensturz» in die Altstadt von Olten. Auch beim Zunfthaus zum Löwen ist Wildsaison. Von wo der Hirsch stammt, erfahren wir ebenfalls nicht. Auf der Karte fehlt die Deklaration. Wir müssen nachfragen.

Unterwegs Richtung Zentralschweiz: «Kassensturz» kehrt ein im Restaurant Obernau in Kriens. Das Wild auf der Karte kommt aus der Schweiz – oder Österreich. Was jetzt? Klarheit schafft erst der Blick in den Kühlschrank. «Das ist ein Rehrücken aus Österreich. Das Schweizer Fleisch wird erst noch angeliefert aufs Wochenende.» Der Gast könne fragen, dann werde ihm Auskunft gegeben, sagt Wirt Thomas Häfliger.

Wildsaison ist auch im Speisewagen der SBB. Auf der Karte finden wir einen Hirschpfeffer. Aber: Der Hirsch stammt nicht wie angegeben aus der Schweiz. Die korrekte Deklaration «Neuseeland» wird erst nach Intervention des «Kassensturz» in die Karte geklebt.

Verwirrende Karte nachgebessert

Eine schriftliche Deklaration ist Pflicht. Ausser das Wild stammt aus freier Wildbahn, sagt der Aargauer Kantonschemiker Peter Grütter. Die Wirte müssen die Herkunft kennen, wenn sie vom Gast gefragt werden. «In diesem Fall muss der Wirt das Produktionsland angeben. Und weil ausländisches Wild sehr oft in Farmen gehalten wird, müsste das eigentlich auch schriftlich deklariert werden.» Die Befreiung von der Deklarationspflicht gelte nur für Wild aus freier Wildbahn.

Wild aus freier Wildbahn reicht bei weitem nicht, um die Nachfrage zu decken. Häufig stammt das Fleisch aus Hirschfarmen. Der grösste Teil wird importiert. In der Schweiz gibt es 600 solcher Betriebe. Bei Hirschschnitzel oder Hirschpfeffer kann man fast wetten: Sie wurden in ausländischen Farmen produziert und oft um die halbe Welt transportiert.

«Kassensturz» hält Ausschau nach falsch deklariertem Hirsch. Im Restaurant Les Arcades im Zürcher Hauptbahnhof sticht den Reportern ein Hirschpfeffer ins Auge. Ein Schweizer Hirschpfeffer, bestätigt uns das Personal und später auch die Geschäftsleitung. Thomas Keller von Candrian Catering AG: «Die richtige Länderdeklaration ist Schweiz. Das Fleisch kommt aus Österreich, aber wir verarbeiten es hier frisch in der Küche.» Deshalb sei die Herkunftsbezeichnung nach Gesetz korrekt.

Trotzdem verwirrend: Schweizer Pfeffer mit Hirsch aus Österreich. Auch das Restaurant Les Arcades bessert die Karte nach.

«Bünder wollen alles für sich»

Unterwegs in die Ostschweiz: «Kassensturz» besucht das Restaurant Hörnli in St. Gallen. Auf der Wildkarte stehen mehrere Hirschgerichte. Der Hirsch stamme aus der Schweiz, informiert uns die Serviceangestellte. Eine Fehlinformation, sagt später die Chefin. Wirtin Derya Artmann entschuldigt sich, gibt jedoch ihren Angestellten die Schuld: «Wir hatten eine Praktikantin im Service, die sie gefragt haben. Praktikanten können Fehler machen.»

Restaurant zur Sonne in Winterthur: Dort wird ausschliesslich Schweizer Fleisch aufgetischt. Das gilt aber nicht für das Hirschgeschnetzelte mit Wildrösti. Der Hirsch stammt aus Neuseeland. Küchenchef Erich Frautschi rechtfertigt sich: «Beim Hirschen haben wir Probleme bekommen. Sagen wir es so, die Bündner wollten alles für sich.» Der Gast werde bei jeder Bestellung mündlich darauf hingewiesen, dass der Hirsch kein Schweizer sei.

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