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Vierbeiner im Internet: Züchter bieten kranke Tiere an
Aus Kassensturz vom 01.04.2014.
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Konsum Vierbeiner im Internet: Geschäftemacherei auf Kosten der Tiere

Hundewelpen, Katzenbabys oder exotische Tiere. Sie werden immer mehr im Internet zum Verkauf angeboten. Doch viele Inserate sind unseriös. Das zeigt eine neue Studie des Schweizer Tierschutzes. Dubiose Züchter verkaufen kranke und illegal importierte Tiere. «Kassensturz» kennt einige Beispiele.

Die Familie Grassi aus Zürich wünschte sich schon lange eine Katze. Auf einer Online-Plattform findet die Familie ein Inserat einer Maine-Coone-Züchterin in der Schweiz: Alles beginnt vielversprechend. Nach einem Besuch bei der Züchterin entscheidet sich die Familie Grassi für Charly. 1000 Franken soll er kosten, 300 Franken verlangt die Züchterin als Anzahlung.

Experten-Chat

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Worauf muss ich achten beim Tierkauf? Was kann ich tun, wenn ich ein krankes Tier gekauft habe? Diese und andere Fragen beantworteten drei Experten im Live-Chat. Hier geht's zum Protokoll.

Bei der Übergabe ist Charly elfeinhalb Wochen alt und erkältet, aber laut Züchterin fit genug. Grazia Grassi erinnert sich: «Die Nase war leicht verschnupft, es war wirklich sehr leicht. Und er hatte zwar einen etwas dickeren Bauch, aber wir dachten, das sei angefressen oder Teil der Entwicklung dieser Katze.»

Grazia Grassi übergab die restlichen 700 Franken in bar und bekam dafür eine Kaufquittung. Die Familie bekam weder ein ärztliches Zeugnis noch den versprochenen Stammbaum. Die Züchterin versprach, den Stammbaum später noch zuzustellen.

Charly lebte sich gut ein, doch die Erkältung wurde trotz tierärztlicher Behandlung nicht besser. An Weihnachten ging es Charly plötzlich ganz schlecht. Sein Bauch war stark aufgebläht. Grazia Grassi sieht Charly jetzt noch vor Augen: «Als wir abends heimkamen, lag Charly reglos am Boden und war schon relativ kalt.» Die Familie fuhr mit Charly notfallmässig ins Tierspital, doch die Tierärzte konnten den kleinen Kater leider nicht mehr retten. «Die Diagnose der Tierärztin war ganz klar; sie hatte starken Verdacht auf FIP», sagt Grassi. FIP – die sogenannte Bauchwassersucht – ist eine schwere Krankheit und verläuft meist tödlich.

Zu viele unseriöse Inserate

Kater Charly ist kein Einzelfall. Das Problem beginnt bereits bei den vielen Internet-Plattformen, die gratis Tier-Inserate anbieten. Vor allem grössere Tiere wie Hunde oder Katzen, aber auch exotische Lebewesen werden heutzutage ausschliesslich über Internetinserate verkauft.

«Ganz tierisch»

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Von der Anschaffung eines Haustiers, über Tiermedika- mente bis zum Tod des Tieres. In dieser Serie berichtete «Kassensturz/Espresso» über alle wichtigen Themen rund um Haustiere. Weiter

Der Schweizer Tierschutz untersuchte auf 20 Schweizer Inserate-Plattformen in einer detaillierten Studie tausende von Verkaufsangeboten aus den Bereichen Hunde, Katzen, Wildtiere und Zubehör. Für Tierärztin Julika Fitzi, beim Schweizer Tierschutz mitverantwortlich für die Studie, sind die Ergebnisse alarmierend. Vor allem Hunde-Annoncen sind problematisch. Denn rund 80 Prozent dieser Inserate sind unseriös oder für Interessenten zu wenig überprüfbar. Julika Fitzi: «Ganz besonders störend ist, dass man im Inseratetext liest, dass die Tiere hier aufgewachsen sind, dass es Schweizer Hunde sind aus Schweizer Zucht. Und dann kommen sie doch aus dem Ausland.» Dies stelle man dann meist erst bei der Übergabe fest, weiss Fitzi, oder – wenn die Papiere nicht übergeben werden – könne es überhaupt nicht festgestellt werden. Somit wird es für die Käufer sehr schwierig zu überprüfen, woher das Tier wirklich kommt.

Die Tierschutz-Studie

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Alarmierendes Ergebnis: Rund 80 Prozent der untersuchten Inserate sind unseriös oder zu wenig überprüfbar. Hier die Details.

Illegaler Hundeimport aus dem Ausland

Auch einen schwierigen Start ins Leben hatten vier Welpen – zwei Chihuahuas und zwei Yorkshire Terrier. Aus Ungarn brachte eine Händlerin die Welpen illegal in die Schweiz. Kurz darauf wurden sie beschlagnahmt und kamen in die Obhut der amtlichen Tierärztin Melanie Kocher. Die Händlerin hatte die Welpen bereits auf zwei Internetplattformen ausgeschrieben, doch verfügte sie weder über eine Handelsbewilligung noch internationale Transportbewilligung.

Tierärztin Melanie Kocher erzählt, in welch schlechtem Zustand die Welpen waren: «Sie hatten alle vier Durchfall und waren stark verwurmt. Die Welpen wurden auch mit zirka vier Wochen viel zu früh von der Mutter getrennt.» In der Schweiz darf man Hunde erst ab acht Wochen von der Mutter trennen, besser wäre erst ab zwölf Wochen. Einem Wurfgeschwister geht es noch schlechter, weiss Melanie Kocher: «Dieser ist sehr stark krank, hat sehr starken Durchfall, und es kann durchaus auch sein, dass er daran stirbt oder eingeschläfert werden muss.»

Dass sehr kranke Hunde, die aus misslichen Zuchten importiert werden, eingeschläfert werden müssen, kommt immer häufiger vor. Schätzungsweise werden jährlich 100‘000 Tiere illegal in die Schweiz importiert.

Risikozunahme Tollwutimport

Mit der enormen Zunahme des Tierhandels über das Internet häufen sich die Probleme auch bei der Zürcher Kantonstierärztin Regula Vogel. Besonders dramatisch wird es für Tiere aus Tollwutrisikoländern wie Serbien, Albanien, Mazedonien oder der Türkei. Regula Vogel zeigt «Kassensturz» drei traurige Beispiele von jungen Hunden: «Wenn sie so jung sind, dann kommen sie in jedem Fall illegal ins Land, denn dann haben sie die Wartefristen nach der Impfung in den Tollwutrisikoländern – in diesem Fall Serbien – nicht abgewartet.»Die Tiere wurden vorsorglich beschlagnahmt, da Tollwut eine für Tier und Mensch tödliche Krankheit ist. Da eine Rückführung der Tiere nicht möglich war, wurden alle drei Hunde – obschon sie eigentlich noch gesund waren – zur Risikominimierung eingeschläfert.

Recht auf gesundes Tier

Was der Familie Grassi von Charly nun bleibt, sind zusätzliche Tierarzt-Rechnungen und Kremationskosten über 700 Franken, Betroffenheit und viele offene Fragen: «Vor allem für die Kinder war unverständlich, dass das Kätzchen plötzlich sterben musste. Als wir die Züchterin informierten, bot sie uns an, ein Kätzchen aus einem neuen Wurf zu nehmen, aber wir hatten kein Vertrauen mehr. Sie hat uns daraufhin 700 Franken zurückerstattet.» 300 Franken behielt die Züchterin zurück für diverse Impfkosten.

Dass ein Tier nach dem Kauf krank werden kann oder gar stirbt, damit müsse man leider rechnen, sagt Christine Künzli von der Stiftung Tier im Recht. Aber beim Kauf hätten die Besitzer Anrecht auf ein gesundes Tier, ansonsten könnten sie die entstandenen Kosten zurückfordern. Künzli präzisiert: «Wenn das Tier schon zum Zeitpunkt des Verkaufsabschlusses krank war, kann die Familie ihre Kosten beim Kaufpreis in Abzug bringen. Man kann also nicht einfach den Kaufpreis zurückverlangen, sondern man kann die Kosten für Medikamente oder Tierarztkosten in Abzug bringen.» Auch Kremationskosten könne die Familie geltend machen.

Für die Familie Grassi eine unerwartet kurze Zeit, die wenigen Wochen mit Charly. Falls die Familie mal eine neue Katze kauft, will sie die Herkunft und den Gesundheitszustand bei der Übergabe genauer prüfen.

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Studiogespräch mit Tierärztin Julika Fitzi vom Schweizer Tierschutz STS
Aus Kassensturz vom 01.04.2014.
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