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Wenn die Ballonfahrt schon vor dem Start zur Nervensache wird
Aus Espresso vom 05.10.2015. Bild: Keystone
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Konsum Wenn die Ballonfahrt schon vor dem Start zur Nervensache wird

Patrizia Sturzenegger freute sich riesig über den Geschenkgutschein für eine Ballonfahrt. Das war schon immer ihr Traum. Zwei Jahre später ist es aber immer noch einer: Das Wetter war stets schlecht, der Gutschein ist abgelaufen, der Streit eskaliert. Was gilt bei Gutscheinen? «Espresso» erklärt's.

Zu ihrem 40. Geburtstag im April vor zwei Jahren erhielt Patrizia Sturzenegger von ihren Freunden einen Gutschein für eine Ballonfahrt zu zweit. Die Freude war riesig! Auf dem Gutschein war eine Gültigkeit von zwei Jahren vermerkt. In diesem Zeitraum einen Termin zu finden, sollte eigentlich kein Problem sein. Auf der Internetseite des Anbieters suchte sich das Geburtstagskind sofort ein mögliches Datum. Für Patrizia Sturzenegger kam nur ein Wochenende in Frage: «Da wir wollten, dass die Freunde, die uns diesen Gutschein geschenkt haben, dabei sein können, wollten wir die Fahrt an einem Samstag oder Sonntag machen.» Und: Der Ballon sollte in der Region starten. Wenn schon, denn schon.

Petrus machte wieder und wieder einen Strich durch die Rechnung

Ein geeigneter Termin, der diese Bedingungen erfüllt, wurde dann auch gefunden, und zwar vier Monate später im August. Bei der Anmeldung hiess es noch, dass die Fahrt natürlich von Petrus abhängig sei. Bei starkem Wind oder schlechter Sicht müsse der Termin abgesagt werden. Und prompt war es dann so. Das Ballonereignis musste wegen schlechten Wetters abgesagt werden. Das ist zwar Pech, aber verständlich.

So begann die Terminkoordination mit den Freunden und dem Ballonfahrt-Unternehmen von neuem. Jedes Mal war das Wetter schlecht. Schliesslich war es April 2015, zwei Jahre sind vergangen, der Gutschein für 780 Franken an und für sich abgelaufen. Der Veranstalter, die Firma Funks Ballonfahrten, meldete sich deshalb bei Frau Sturzenegger. Aus Kulanz verlängerte Hans Funk den Gutschein nochmals, allerdings bat er um etwas mehr Flexibilität. Frau Sturzenegger erinnert sich: «Er sagte, wir sollen doch unsere Wünsche etwas zurückstecken und irgendwo in der Schweiz starten. Ausserdem seien Wochenendtermine ebenfalls etwas speziell.»

Also wurden nochmals zwei Versuche gestartet. Die leider wieder misslangen. Sechs Versuche in zwei Jahren. Funks Ballonfahrten hatte genug und teilte seiner Kundin mit, der Gutschein sei nun abgelaufen. Auf Anfrage von «Espresso» erklärt Hans Fund, die Sturzeneggers hätten zu wenig mögliche Termine angegeben. Mehr als zwölf hätten es sein sollen, dann wäre der Gutschein um sechs Monate verlängert worden.

Welche Ablauffristen gelten bei Gutscheinen?

Patrizia Sturzenegger wollte das auf jeden Fall nicht auf sich sitzen lassen und schaltete ihre Rechtsschutzversicherung ein. Die Juristen schreiben dem Ballonfahrt-Betreiber zwei Mal einen Brief, in dem sie sich auf das Obligationenrecht stützen. Dort heisst es, ein Gutschein sei zehn Jahre gültig. Darauf kontert Hans Funk: «Die Beschränkung der Gültigkeit von Fahrkarten ist im Schienen- und auch im Luftverkehr Usus.» Er hält an seiner Regelung fest.

Wer hat Recht? «Espresso»-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner erklärt das Problem: «Die einen Juristen sind der Meinung, dass die Fristen im Obligationenrecht zwingend sind, andere sagen, man könne diese auch ändern. Ein Gerichtsurteil gibt es nicht, da niemand für solch meist kleinere Beträge vor Gericht geht.» Klar sei aber: Steht eine solche verkürzte Frist nicht klar und deutlich auf dem Gutschein, dann ist sie ungültig und die gesetzliche Regelung kommt zum Zug.

Viele Rechtsschutzversicherungen halten sich zurück

Rechtsschutz-Versicherungen:

Box aufklappen Box zuklappen

Die Rechtsschutzversicherung teilte darauf Frau Sturzenegger mit, dass da nichts mehr zu machen sei. Wegen 780 Franken lohne sich ein Gang vor Gericht nicht. Eine durchaus übliche Vorgehensweise, wie Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner weiss: «Das ist ein weiterer Konsumentenfrust. Die meisten Rechtsschutzversicherungen verfügen über eine Eintrittsschwelle. Sie setzten sich also erst ab einem gewissen Betrag – meistens ein paar Tausend Franken – ein.»

Patrizia Sturzenegger ist frustriert. Schliesslich habe sie zum ersten Mal eine Ballonfahrt gebucht und nicht gewusst, dass das Wetter so häufig einen Strich durch die Rechnung machen könne. Nachdem «Espresso» sich einschaltet, erklärt sich Hans Funk bereit, die Sturzeneggers auf eine Ballonfahrt mitzunehmen. Allerdings an Daten, die er ihnen vorschlägt. Und er liess noch etwas ausrichten: Er selber werde nicht im Ballonkorb stehen, das werde eine seiner Pilotinnen erledigen. Die Sturzeneggers sind erleichtert und hoffen, dass es nun doch noch klappt.

Fragen lohnt sich

Eine Umfrage von «Espresso» bei zehn verschiedenen Anbietern von Ballonfahrten hat ergeben: Die Hälfte beschränkt die Gültigkeit ihre Gutscheine auf zwei Jahre oder sogar auf ein Jahr. Einige bieten eine Verlängerung gegen Aufpreis an, und wieder andere halten sich ans Obligationenrecht und bieten zehn Jahre an. Es lohnt sich also, die Veranstalter beim Kauf eines Gutscheins danach zu fragen.

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