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24.06.08: TV-Quizshows: Die faulen Tricks am Bildschirm
Aus Kassensturz vom 24.06.2008.
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Multimedia TV-Quizshows: Die faulen Tricks am Bildschirm

Quizsendungen animieren das Fernsehpublikum zum Anrufen und Mitmachen. Das sei der direkte Weg zum schnellen Geld, versprechen private TV-Sender. Sogar jeder Anrufversuch kostet. «Kassensturz» deckt auf: Bei diesen Spielen werden zahlende Zuschauer abgezockt und über den Tisch gezogen.

Georg With aus dem aargauischen Teufenthal zeigt «Kassensturz» die Fernsehsendung, die ihn am meisten ärgert: Sie heisst Swissquiz. «Es ist kein Quiz, ich kann das gar nicht lösen, weil ich nie ins Studio komme. Es ist reine Abzocke», sagt With. Aus seiner Sicht sollte man diese Sendung abstellen.

Bei einem Gewinnspiel geht es beispielsweise darum, im verdrehten Wort «Opelrad» einen Tiernamen zu finden. Die Moderatorin sagt immer wieder: Wer die Lösung kenne, soll sofort anrufen – auf eine teure 0900er-Nummer. Georg With wollte es wissen. Mit bösen Folgen: Innert kurzer Zeit hat er 270 Franken verspielt.

Die Moderatorinnen von Swissquiz setzen die Zuschauer mit Countdowns unter Zeitdruck. Mit grossen Gewinnversprechen animieren sie die Zuschauer, immer wieder anzurufen.

Romy Oppliger aus dem aargauischen Brittnau kennt Swissquiz bis ins Detail. Sie führt seit Jahren minutiös Buch. Jedes Spiel, jeder Anrufer, jeder Gewinn, alles legt sie fein säuberlich in ihrer Kartei ab. Sie will herausfinden, warum oft über Stunden niemand die richtige Lösung errät. Seit langem hegt sie einen Verdacht: «Da wird beschissen.»

Beispiel: In einem Spiel geht es darum, Lösungswörter zu finden. Sie stecken in den Couverts der Moderatorin. Romy Oppliger ist überzeugt: Die Lösungswörter werden ausgetauscht. Die Verantwortlichen der Produktionsfirma Mass Response Service bestreiten das vehement.

Doch «Kassensturz» trifft eine Person, die bei Mass Response Service angestellt war. Aus Angst vor Repressionen möchte sie anonym bleiben. Gegenüber «Kassensturz» bestätigt sie den schweren Verdacht: «Wir mussten die Umschläge ja immer in die Kamera zeigen, in der Hand halten und so den Eindruck erwecken, dass es hier mit rechten Dingen zu und her geht.»

Doch dann sagte man ihr, sie solle die Umschläge ablegen und zur Seite gehen. «Danach konnte ich beobachten, wie jemand zu den Umschlägen ging und andere Wörter reinsteckte», erzählt die ehemalige Mitarbeiterin.

«Kassensturz» weiss von einem weiteren solchen Fall. Für Strafrechtsprofessor Marcel Niggli von der Universität Freiburg ist klar: Mass Response Service bringt in diesen Fällen zahlende Quizteilnehmer um ihren Gewinn und bricht damit klar das Gesetz. «Wenn während des Spiels die Bedingungen geändert worden sind, scheint mir das relativ klar betrügerisch», sagt Niggli.

Produziert wird Swissquiz in Wien. In einem Industriegebäude nimmt Mass Response Service neun Stunden Swissquiz pro Tag auf. Mass Response Service gehört zu 100 Prozent der Telekom Austria und macht mit diesen Spielen Millionenumsätze.

Ausgestrahlt wird Swissquiz auf den Schweizer Privatsendern 3+, StarTV und Viva Schweiz. «Kassensturz» versucht, mit den Verantwortlichen zu sprechen – vergeblich. Eine Assistentin lässt ausrichten, alle Geschäftsleitungsmitglieder seien leider schon im Wochenende.

Doch: Keine halbe Stunde später trifft ein Schreiben vom Schweizer Anwalt von Mass Response Service bei «Kassensturz» ein.

Private Gewinnspiele sind in der Schweiz verboten. Ausser die Veranstalter bieten neben der teuren 0900er-Nummer einen Gratis-Zugang zum Spiel. Übers Internet müssen die Zuschauer zuerst diverse Angaben machen. Darauf generiert das System einen zehnstelligen Zugangscode. Und diesen muss der Teilnehmer umständlich auf der Telefontastatur wieder eingeben.

Die vielen Schritte sind völlig unnötig. Genau darum sind den Untersuchungsbehörden diese Quiz-Shows ein Dorn im Auge. Das Ziel des Zürcher Statthalters Bruno Graf ist ein Bundesgerichtsurteil. Wenn das oberste Gericht entscheidet, dass die Chancen zwischen teurem und billigerem Spielzugang ungleich sind, ist Schluss mit Swissquiz.

Mass Response Service behauptet, es bestünden gleiche Chancen und man halte sich an die gängige Bundesgerichtspraxis, wonach alternative Zugänge auch komplizierter sein dürfen. Das Bundesgericht hat allerdings nicht beurteilt, ob der Gratiszugang auch künstlich kompliziert gemacht werden darf.

Ein Hohn ist auch das sogenannte Leitungsspiel. Hier gibt die Moderatorin vor, Telefonleitungen seien offen und führen direkt ins Studio. Nur sehr gut versteckt in den «Mitmachregeln» auf dem Internet oder Teletext steht der entscheidende Satz: Die Leitungen müssen zum «richtigen Zeitpunkt» getroffen werden.

Die Ex-Angestellte erklärt, was das heisst: «Die Anzahl Leitungen machte keinen Unterschied. Die Regie tippte die Leitungen ein, die angeblich offen sind. Und dann entschied der Regisseur unabhängig von den Leitungen, wer zu welchem Zeitpunkt durchgelassen werden soll.» Wenn es gar nicht darauf ankomme, wie viele Leitungen offen sind, sei auch dies täuschend, kommentiert der Strafrechtsprofessor.

Mass Response Service bestreitet alle Vorwürfe von «Kassensturz». Ex-Mitarbeiterinnen würden lügen und die Qualitätssicherung von Mass Response sei überdurchschnittlich

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