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Stinkende Kreuzfahrtschiffe: Ferien auf Kosten der Umwelt
Aus Kassensturz vom 22.09.2015.
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Umwelt und Verkehr Stinkende Kreuzfahrtschiffe: Ferien auf Kosten der Umwelt

150‘000 Schweizer buchen jedes Jahr Ferien auf ihrem Traumschiff. Doch die meisten Schiffe fahren mit billigem Schweröl und verpesten so die Umwelt. Die gesundheitsgefährdenden Schiffsabgase belasten nicht nur die küstennahen Gebiete. «Kassensturz» sagt, welche Reedereien zum Himmel stinken.

Der Naturschutzbund Deutschland NABU warnt seit Jahren vor den ökologischen Folgen der boomenden Kreuzfahrtbranche. Die grösste Sünde der Kreuzschifffahrt sei die Luftverschmutzung, kritisiert NABU-Experte Soenke Diesener: «Russ, Schwefel- und Stickoxide schaden dem Klima und der menschlichen Gesundheit.»

Das Hauptproblem: Die Schiffe fahren mit billigem Schweröl. Dieser Treibstoff ist ein Abfallprodukt der Erdölindustrie und an Land schon längst verboten. Soenke Diesener bringt es auf den Punkt: «Schweröl ist Sondermüll, der auf See verbrannt wird.»

Schweröl ist Sondermüll, der auf See verbrannt wird.
Autor: Soenke Diesener Naturschutzbund Deutschland

Auf den Weltmeeren fahren hunderte von Kreuzfahrtschiffen. 2014 buchten allein in Europa 6,4 Mio. Personen eine Reise auf einem solchen Ozeanriesen. Darunter sind auch rund 150‘000 Schweizerinnen und Schweizer, welche ihre Ferien auf einem Kreuzfahrtschiff verbringen. Die Schiffe sind schwimmende Hotels mit mehreren Restaurants und einem grossen Unterhaltungs- und Freizeitangebot. Der Energiebedarf entspricht dem einer mittelgrossen Stadt. Die Energie liefern riesige Motoren im Bauch der Schiffe. Sie schlucken tonnenweise Treibstoff, in der Regel Schweröl. Und das nicht zu knapp: Die vier Motoren des modernen Kreuzfahrtschiffes «Mein Schiff 4» beispielsweise schlucken täglich 50 Tonnen.

Gefährliche Schiffsabgase

Die Abgase, welche durch das Verbrennen von Schweröl entstehen, sind eine Gefahr. Sie betrifft nicht nur die Menschen an Bord und die Bewohner der Hafenstädte. Klimarechner zeigen: Die toxischen Abgaswolken wandern je nach Wind und Wetter hunderte von Kilometern ins Landesinnere. Nino Künzli erforscht seit Jahren die Konsequenzen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit. «Schiffsabgase reduzieren die Lebensqualität und erhöhen die Sterblichkeit», warnt der Experte vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut.

Schätzungen gehen von bis zu 100‘000 Todesopfern pro Jahr aus, spezifisch aus der Schadstoffquelle Schifffahrt.
Autor: Nino Künzli Mediziner

Nino Künzli besuchte diesen Sommer Venedig. Die Lagunenstadt hat keine Industrie, keine Autos, aber enorm schlechte Luft. Auch wegen der vielen Kreuzfahrtschiffe. Auch global sei das Problem nicht zu unterschätzen, warnt Mediziner Künzli: «Grobe Schätzungen gehen von bis zu 100‘000 Todesopfern pro Jahr aus, spezifisch aus der Schadstoffquelle Schifffahrt.»

An der Küste verboten – auf dem Meer erlaubt

Auf Schweizer Seen:

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Nur jedes vierte Schweizer Kursschiff hat einen Partikelfilter. Mehr

Ein riesiges Schiff werfe so viele Schadstoffe aus, wie 300‘000 Fahrzeuge zusammen, zitiert Nino Künzli aus Studien. Einzelne Länder haben reagiert und verbieten das Fahren mit Schweröl, ausser die Schiffe haben Filter eingebaut. Entlang der Küsten von Nordamerika und seit diesem Jahr auch in der Nord- und Ostsee dürfen Schiffe nur dann noch Schweröl fahren, wenn sie ihre Abgase filtern. Fürs Mittelmeer gelten keine Vorschriften. Hier sowie rund um den Globus darf weiterhin Schweröl verbrannt werden, ohne jegliche Filter und Katalysatoren.

Umfrage: Nur ein Teil mit Filter unterwegs

Und das wird auch gemacht: Freiwillig verzichtet keine Reederei auf das Tanken von giftigem Schweröl. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage von «Kassensturz». Eine Umfrage von «Kassensturz» bei auch bei Schweizern Touristen populären Kreuzfahrtunternehmen zeigt:Die rund 40 Schiffe von AIDA, Tui Cruises, Costa, MSC verbrennen allesamt Schweröl.

  • AIDA hat wenigstens Filter eingebaut, auf vier von total zehn Schiffen.
  • Auch die Hälfte der Flotte von Tui Cruises fährt mit einem solchen Abgasnachbehandlungssystem.
  • Bei Costa verfügt nur jedes dritte Schiff über einen Filter.
  • MSC: Hier fährt zurzeit kein Schiff mit Filter. Im nächsten Jahr soll das erste Schiff mit Filter auslaufen.

Filter sind nur Übergangslösung

Solche Filter, sogenannte Scrubber, sind für den Deutschen Naturschutzbund NABU jedoch keine nachhaltige Lösung. Diese Technik erlaubt es den Reedereien nämlich, weiterhin mit Schweröl durch die Weltmeere zu kreuzen. Marinediesel dagegen wäre gemäss NABU ökologischer und Voraussetzung für effiziente Abgasnachbehandlungen, wie sie für Autos und Lastwagen schon längst Standard sind. Immerhin, am Horizont tauchen Hoffnungsschimmer auf. Reedereien wie Costa und Aida haben den Bau von Schiffen mit LNG (Flüssigerdgas) in Auftrag gegeben. Durch die Nutzung von LNG werden die Emissionen von Rußpartikeln und Schwefeloxiden vollständig vermieden. Die «grünen» Schiffe laufen aber frühestens 2020 vom Stapel.

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