Das Wichtigste in Kürze
- Eine demente Kundin räumt ihr Konto, 23’000 Franken hebt sie ab. Dies, obwohl die Bank kurz vorher eine Angehörige kontaktierte, weil sie an der Urteilsfähigkeit der Kundin zweifelte.
- Rechtlich ist die Bank aus dem Schneider.
- Eine Broschüre der Alzheimer-Vereinigung Schweiz für Bankangestellte soll das Personal sensibilisieren im Umgang mit solchen Kundinnen und Kunden.
- Um auf Nummer sicher zu gehen, rät die Alzheimer-Vereinigung daher den Bankkundinnen und -kunden, im noch urteilsfähigen Zustand einen Vorsorgeauftrag zu verfassen.
Es ist schon einige Jahre her, dass eine «Espresso»-Hörerin von ihrer betagten Mutter einen Anruf erhalten hatte, sie könne ihre Bank nicht mehr finden. Ob ihr die Tochter helfen könne. Also begleitete die Frau ihre Mutter in die Raiffeisen-Filiale in St. Gallen. Ein Angestellter der Bank suchte dann in der Schalterhalle das Gespräch mit der Tochter. Die Bankangestellten hätten beobachtet, dass die Mutter mit den Bankgeschäften überfordert sei und dass es wohl sinnvoll wäre, die Tochter würde diese für ihre Mutter übernehmen.
Katastrophe trotz Vereinbarung und Vollmacht
Daraufhin hat die Mutter eine Vereinbarung unterzeichnet, in welcher sie die Tochter befugte, für sie alle Rechnung mit Vergütungsaufträgen zu erledigen und sie erteilte ihr eine Vollmacht für das Konto. Nur kurze Zeit später erhielt sie per Post den Kontoauszug der Mutter. Saldo: Null. Ein Anruf bei der Bank zeigte: Die Mutter hatte ihr gesamtes Ersparte abgehoben, rund 23’000 Franken. Das Geld war verschwunden. Die Mutter konnte sich an nichts erinnern.
Rechtlich ist die Bank aus dem Schneider
Die aufgebrachte Tochter wollte von der Bank wissen, weshalb sie der Frau das ganze Geld ausgezahlt hatte, obwohl sie doch wusste, dass die Frau an Demenz leidet. Damals stellte sich die Bank auf den Standpunkt, die Frau habe vehement darauf gepocht, ihr Geld zu erhalten. Man habe keine Befugnis gehabt, ihr diesen Wunsch zu verweigern.
Erinnerungen nach «Kassensturz»-Beitrag
Diese Geschichte trug sich vor gut zehn Jahren zu. Als die Tochter vor kurzem einen Bericht des «Kassensturz» gesehen hatte, wo es ebenfalls um eine demente Kundin der Raiffeisenbank ging, kamen bei ihr Erinnerungen hoch. Sie meldete sich bei den SRF-Redaktionen «Kassensturz» und «Espresso».
«Espresso» ging dem Fall von damals nach und erhielt folgende schriftliche Stellungnahme der Raiffeisen: «Die Bank hat der Tochter nicht versprochen, man zahle der Mutter am Schalter kein Geld mehr aus. Am Tag der Kontosaldierung forderte die Kundin vehement die Auflösung ihres Kontos. Die Bank hatte die Angehörigen schon vor der Kontoauflösung darauf hingewiesen, dass eine Vormundschaft oder Beistandschaft in Erwägung gezogen werden sollten.»
Banken sichern sich ab
Rechtlich ist der Bank also kein Vorwurf zu machen. Die demente Kundin galt weiterhin als urteilsfähig. Dennoch ist die Tochter erstaunt, dass sich die Bank damals nicht gemeldet hatte. Schliesslich habe sie ja um die Demenz ihrer Mutter gewusst. Tatsächlich ist der Umgang mit dementen Kunden auch bei den Banken Thema. Eine Broschüre der Alzheimer Vereinigung Schweiz für Bankangestellte wird derzeit überarbeitet. Sie soll das Personal sensibilisieren im Umgang mit solchen Kundinnen und Kunden.
Die Alzheimer Vereinigung stellt fest, dass sich Banken immer mehr für solche Fälle absichern wollen. Laut Juristin Marianne Wolfensberger reicht es häufig nicht mehr aus, eine Bankvollmacht für den Fall der Urteilsunfähigkeit zu verfassen. «Heute braucht es einen Vorsorgeauftrag, welcher von der Kesb validiert wird.» Um auf Nummer sicher zu gehen, rät die Alzheimer Vereinigung daher den Bankkundinnen und -kunden, im noch urteilsfähigen Zustand einen Vorsorgeauftrag zu verfassen.