Zugfahrer sind im Nachteil
Max Pendler – ein fiktives Beispiel – pendelt jeden Tag aus Bischofszell im Kanton Thurgau nach Zürich. Jeden Tag hat der Angestellte den gleichen Arbeitsweg. Doch für Max Pendlers Steuern ist entscheidend, wie er zur Arbeit geht. Ob mit nachhaltiger Mobilität wie dem öffentlichen Verkehr oder mit dem Auto. Wenn Max Pendler mit dem Auto zur Arbeit fährt, kann er für den gleichen Arbeitsweg viel mehr von seinem Einkommen abziehen, als wenn er den öffentlichen Verkehr nutzt.
Bund plant neue Abzugspauschale
Diese steuerliche Begünstigung von Autopendlern will der Bund nun beenden. Eine entsprechende Vorlage ist seit kurzem in der Vernehmlassung. Alle Pendler sollen künftig gleich viel von den Bundessteuern abziehen können, nämlich maximal 800 Franken. Gregor Saladin, Informationschef vom Bundesamt für Verkehr erklärt: «Der Bund kann damit schätzungsweise 250 Millionen Franken einnehmen.» Das Geld, sagt Saladin, benötige der Bund für den Ausbau der Bahn-Infrastruktur.
4472 Franken mehr Steuern
So profitiert Max Pendler heute. In seiner Steuererklärung macht er die Abzüge für seine Autokosten. Für jeden Kilometer zieht er eine Pauschale ab. Für die Strecke Bischofszell-Zürich und retour fährt er mit dem Auto täglich 145 Kilometer. Das sind über 30'000 Kilometer im Jahr. Dafür kann er von seinem Einkommen 18'563 Franken abziehen.
Zugfahrer sind im Nachteil
Anders, wenn Max Pendler die Bahn nutzt. Für seinen Arbeitsweg darf er die Kosten seines Streckenabos abziehen. Für das General-Abonnement zweiter Klasse: 3100 Franken. Ein Klacks verglichen mit dem Abzug von 18'563 Franken fürs Auto. Das hat enorme Auswirkungen für die Steuerkosten. Bereits bei einem steuerbaren Einkommen von 60‘000 Franken ist der Unterschied enorm. Max Pendler muss 4472 Franken mehr Steuern bezahlen, wenn er mit der Bahn fährt.
Kriterium Unzumutbarkeit
Steuerexperte und Geschäftsleitungsmitglied des Vermögenszentrums Zürich Thomas Metzger hat für «Kassensturz» dieses Beispiel berechnet. Er bestätigt, dass Autofahrer von Steueranreizen profitieren, aber nur unter bestimmten Bedingungen. «Man muss bestätigen können, dass man als Erwerbstätiger mehr als eine Stunde Zeit pro Tag spart, wenn man statt des öffentlichen Verkehrs das Auto nutzt.» Oder der Arbeitgeber verlange die Nutzung des privaten Autos am Arbeitsplatz. Ebenso Autokosten abziehen können handicapierte Erwerbstätige.
Lasche Kontrollen
Abzüge für Autopendler sollten demnach eher die Ausnahme sein. Doch eine Auswertung der Steuerstatistik des Kantons Thurgau zeigt: Nur 15 Prozent der Erwerbstätigen machen ÖV-Kosten geltend. 40 Prozent hingegen ziehen deutlich höhere Kosten fürs Auto ab.
Oft seien die Abzüge fürs Auto jedoch nicht gerechtfertigt, sagt Gregor Saladin vom Bundesamt für Verkehr: «Untersuchungen zeigen, dass es von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Gewisse Kantone kontrollieren strikt, in anderen Kantonen können Autofahrer auch dann hohe Autokosten abziehen, wenn es durchaus zumutbar wäre, den öffentlichen Verkehr zu nutzen.»
Ob mit dem Auto oder mit der Bahn, für Max Pendler ist der Weg derselbe. Nur auf seiner Steuerrechnung beträgt der Unterschied mehrere Tausend Franken.