Die Zahlen erstaunen. Auch wenn generell eher zu wenig Bio-Produkte vorhanden sind, müssen immer wieder Bio-Lebensmittel deklassiert werden: «Beim Fleisch 15 bis 20 Prozent der Produkte, bei Milchprodukten gegen 15 Prozent, bei Früchten - vor allem Kernobst - fünf bis zehn Prozent und beim Gemüse ein bis zwei Prozent», sagt Sabine Lubow von der Dachorganisation Bio-Suisse.
Bio-Kunden sind wählerisch
Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits sind Bio-Konsumenten heute wählerischer als früher. Beim Fleisch bevorzugen sie Edelstücke, und das Gemüse muss makellos sein, erklärt Sabine Lubow: «Bio gehört zum Premium-Markt. Dort wollen die Kunden neben guter Qualität auch einwandfreies Aussehen.»
Das Voressen oder das unförmige Rüebli zum Bio-Preis blieben liegen. Sie werden daher deklassiert und günstiger als Nicht-Bio-Produkte verkauft.
Einige Bio-Lebensmittel werden aber auch deklassiert, weil zu viel produziert wurde. Die Milchindustrie erwartet beispielsweise, dass immer genug Bio-Milch angeliefert wird, um während des ganzen Jahres sämtliche Joghurt- und Käsesorten produzieren zu können.
Marcel Lusti, Bio-Bauer und Präsident der Vermarktungs-Organisation Biomilchpool erklärt: «Deshalb braucht es immer einen gewissen Überhang an Bio-Milch.» Was zu viel ist, wird später deklassiert und als günstigere konventionelle Milch verkauft.
Ein Ventil für Bio-Überproduktion
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Beim Gemüse führt das Wetter regelmässig zu Bio-Überschüssen. Nach einer langen, kühlen Regenperiode schiesst alles Gemüse gleichzeitig aus dem Boden. Der Bio-Markt wird überschwemmt und daher einiges Bio-Gemüse als konventionelles Gemüse verkauft.
Zudem, erklärt Marc Wermelinger von Swisscofel, dem Verband des Schweizerischen Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels, würden Bio-Bauern sicherheitshalber etwas mehr setzen. So könnten sie auch bei Ernteausfällen die Nachfrage abdecken: «Wenn dann alles klappt und die Bedingungen optimal sind, dann gibt es auf dem Markt schnell mehr verderbliches Bio-Gemüse wie Salat, als benötigt wird.»
Der Überschuss wird dann ohne Bio-Siegel über den Markt für konventionelle Produkte verkauft. Der Kunde merkt davon nichts. «Heikel wird es für die Gemüse-Produzenten, wenn bei allen – konventionell und bio - gleichzeitig Überschuss herrscht», meint Marc Wermelinger, «denn die konventionellen Gemüsehändler haben kein solches Ventil.»
Bio-Suisse und Swisscofel versuchen solche Deklassierungen zu vermeiden, indem sie die Läden möglichst frühzeitig über die zu erwartenden Erntemengen informieren. So können diese rechtzeitig Aktionen mit Bio-Produkten planen.