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Umwelt und Verkehr Kälber leiden für weisses Fleisch

Es gilt: Kalbfleisch muss weiss sein. Natürlich ist diese Farbe nicht. Damit Kälbchen helles Fleisch bekommen, erhalten sie zu wenig Raufutter. Ein neues Gesetz will das ändern. Die Kälber leiden weniger, ihr Fleisch ist aber dunkler. Doch genau dieses rötliche Fleisch lehnt die Fleischbranche ab.

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«Die Kälbchen sind vital, robust und wachsen besser.» Das sagt Jörg Oberle, nachdem er seine Tiere drei Monate lang mit zusätzlichem Raufutter und Eisen gefüttert hat. Eine Fütterung, wie sie die revidierte Tierschutzverordnung ab September 2013 vorschreibt: Eisen und Raufutter wie Heu oder Mais zur freien Verfügung.

Jörg Oberle ist Vizepräsident der Schweizer Kälbermäster. Über die neuen Vorschriften könnte er sich eigentlich freuen, denn seine Kälber brauchen dank dem artgerechten Futter auch viel weniger teure Medikamente, wie Antibiotika.

Dilemma: Gesunde Kälber oder teureres Fleisch?

Doch Jörg Oberles Freude ist getrübt. Denn das Fleisch von diesen gesunden Kälbern konnte er nur mit grossem Verlust verkaufen. Das zusätzliche Eisen im Futter färbt das Fleisch häufig rosa bis rot. Und dafür gibt es beim Verkauf der Kälber heftige Abzüge. Pro Kalb sind es mehrere hundert Franken.

«Wir hatten innert drei Monaten 300‘000 bis 400‘000 Franken Abzüge», rechnet Jörg Oberle vor. Ein Dilemma: Wenn Bauern ihre Kälber artgerecht füttern, riskieren sieriesige Verluste.

 Fehlernährung führt zu Geschwüren

Absurd findet diesen Zustand Tierärztin Corinne Bähler: «Gerade die Bauern, die genügend Eisen füttern, werden dafür bestraft.» Corinne Bähler hat die Auswirkungen von Mangelernährung auf Kälber erforscht. Seit jeher fressen viele Kälber in der Schweiz nur Stroh und Milch, damit sie weisses Fleisch erhalten. Das führt aber dazu, dass die Mägen der Kälber sich nicht richtig entwickeln und die Tiere unter Geschwüren leiden.

«Diese Magengeschwüre schmerzen die Tiere. Wenn ein Geschwür durchbricht, läuft der Mageninhalt in den Bauchraum und die Tiere verenden innert weniger Stunden.» Ihre Untersuchungen an Tausenden von Mastkälbern haben ergeben, dass rund siebzig Prozent der Tiere unter Magengeschwüren leiden – als Folge von Stress und Mangelernährung.

Maximalalter soll Qualität sichern

Nun fordern die Kälbermäster, dass die Fleischverarbeiter künftig auf Farbunterscheidungen beim Kalbfleisch verzichten und die Abzüge für rote Fleischfarbe aufgeben. Sie wollen, dass Kalbfleisch nicht mehr über die weisse Fleischfarbe definiert wird, sondern über das Alter der Tiere. Schlachtkälber sollen künftig maximal 160 Tage alt sein. Das soll die Fleischqualität sichern.

 Metzger weigern sich

Die beiden grössten Fleischverarbeiter , die Migros-Tochter Micarna und die Coop-Tochter Bell sagen, dass sie bereit wären, auf die Farbabzüge zu verzichten. Doch es gibt auch Widerstand: Der drittgrösste Fleischverarbeiter Ernst Sutter, eine Tochter der Fenaco, ist gegen die Abschaffung der Farbabzüge. Ebenso der Fleischfachverband SFF, der die Metzger vertritt. Für sie seien die Abzüge wichtig, weil sich rotes Kalbfleisch schlechter verkaufen lasse – an der Metzgertheke und in der Gastronomie.

Gastronom: «Gäste erwarten weisses Fleisch»

Mehr als die Hälfte des Kalbfleisches in der Schweiz wird in Restaurants gegessen. Die Firma Carnosa in Langenthal liefert Produkte wie Spiessli oder Cordon Bleu an Gastro-Betriebe. Am besten verkaufe sich weisses Kalbfleisch, sagt Geschäftsführer Peter Glanzmann: «Das macht über 50 Prozent unseres Umsatzes aus, den wir mit Kalbfleisch realisieren. Wenn wir rosa Kalbfleisch ausliefern, ohne den Kunden zu informieren, kommt das postwendend retour.» 

Küchenchef Werner Rothen vom Berner Restaurant Schöngrün ist einer der Kunden von Carnosa, die bisher gezielt weisses Kalbfleisch bestellt haben. Viele Gäste seien es sich so gewohnt und sie erwarteten helles Kalbfleisch, sagt Werner Rothen: «Das ist Tradition. Ich arbeite seit 35 Jahren mit weissem Kalbfleisch. Für mich war immer klar: Kalbfleisch muss weiss sein.»

Nun stellt Werner Rothen auf rosa Kalbfleisch um. Das sei qualitativ gleich gut wie weisses Kalbfleisch, aber aromatischer, sagt er. Deshalb sei es wichtig, dass er die Gäste informiere, weil viele von ihnen den Unterschied schmecken würden.

 Abzüge auch bei Migros und Coop

Im Detailhandel ist das Problem weniger akut. «Weisses Kalbfleisch sei bei Migros schon lange aus den Regalen verschwunden», sagt Migros-Sprecher Urs Peter Naef. Trotzdem macht Migros noch Abzüge für rote Farbe bei konventionellem Fleisch. Ein Prozent der Kälber weist der Grossverteiler zurück, weil das Fleisch sich nicht von Rindfleisch unterscheide.

Coop macht bei konventionellem Fleisch noch Abzüge für rotes Fleisch. Bei Labelprodukten gibt es keine Abzüge mehr. Bei der Umstellung habe es keine Probleme mit der Nachfrage gegeben. «Das Kalbfleisch im Detailhandel ist schon seit Jahren dunkler als jenes, welches von anderen Abnehmern, wie der Gastronomie, verlangt wird», sagt Coop-Sprecher Urs Meier dazu. 

Noch ist sich die Fleisch-Branche nicht einig, ob die Abzüge für dunkleres Kalbfleisch beibehalten werden. Das Umdenken in der Branche ist überfällig. Denn die Zeit des hellen Kalbfleisches, für das Kälber leiden müssen, ist endgültig abgelaufen.

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