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Umwelt und Verkehr Palmöl-Boom: Fatale Folgen für Urwald und Affen

Für die Palmöl-Gewinnung holzen rücksichtslose Konzerne den Tropenwald ab und zerstören den Lebensraum von Menschenaffen. «Kassensturz» zeigt eindrückliche Bilder aus Indonesien und deckt auf, welche Lebensmittelkonzerne und Detailhändler auf Kosten der Natur Geschäfte machen.

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Biologin Regina Frey von der Umweltorganisation Paneco kämpft seit über 30 Jahren für die Orang-Utans in Südostasien. Der Lebensraum der Menschenaffen wird immer mehr zerstört – ohne Tieflandregenwälder können sie nicht überleben. In den letzten Jahrzehnten sei die Population des Sumatra-Orang-Utans drastisch zurückgegangen. «Von ungefähr 20'000 Sumatra-Orang-Utans sind heuten noch rund 7000 übrig», sagt Frey.

20 Fussballfelder pro Tag

An der Nordwestküste der indonesischen Insel Sumatra, in der Provinz Aceh, liegen die Sumpfregenwälder von Tripa: Dort leben noch 280 Orang-Utans, ein Viertel des ursprünglichen Bestandes. Das Problem: Palmölgesellschaften bepflanzen nicht Brachland, sondern roden wertvollen Regenwald, um aus dem Verkauf des Tropenholzes Profit zu schlagen. Es handle sich um eine Zerstörung von einem ungeheuren Ausmass, laut Frey werden bis zu 20 Fussballfelder pro Tag abgeholzt.

Auf das kahlgeschlagene Land pflanzen Arbeiter Setzlinge. Die Ölpalme wächst nur in tropischen Gegenden wie Indonesien oder Malaysia. Die beiden Länder produzieren mittlerweile über 80 Prozent der weltweit steigenden Nachfrage von rund 40 Millionen Tonnen Palmöl pro Jahr. Hauptabnehmer sind Europa und Asien.

Einfluss geltend machen

Der Boom der Biotreibstoffe heizt die Nachfrage nach Palmöl zusätzlich an. Doch den grössten Teil des Palmöls verbrauchen Nahrungsmittelkonzerne – das Öl ist günstig. In unzähligen Produkten findet sich Palmöl in verarbeiteter Form: In Fertigprodukten, Teigmischungen, Suppen, Saucen, Süssigkeiten, aber auch in Waschmittel oder Seife.

Der Konsumgüter-Multi Unilever verbraucht weltweit am meisten Palmöl: 1,6 Millionen Tonnen jährlich kauft der Konzern für seine Produkte ein. «Kassensturz» weiss: Ein lokaler Lieferant von Unilever – Astra Agro Lestari – ist eine der Firmen, die in Indonesien den Regenwald von Tripa zerstören. Regina Frey: «Wir fordern von Unilever, dass sie ihren eigenen Lieferanten, die Firma Astra Agro Lestari, sofort stoppt und ihren grossen Einfluss auf die Regierung geltend macht, damit die Zerstörung aufhört.»

Verantwortung abgeschoben

Unilever in Rotterdam gibt zu, dass sie von Astra Agro Lestari Palmöl bezieht. Weshalb stoppt der Grosskonzern nicht die Rodungen seines Lieferanten? Jan Kees Vis, zuständig bei Unilever für nachhaltige Landwirtschaft, schiebt die Verantwortung auf die ganze Branche ab: «Unilever bezieht nur drei Prozent des globalen Palmölbedarfs. Wenn wir aufhören, von einem einzelnen Produzenten zu beziehen, verkauft der einfach an jemand anderen.» Von einzelnen Verkäufern kein Palmöl mehr zu kaufen, ändere vor Ort gar nichts, sagt Vis.

Forstingenieurin Asti Roesle von Greenpeace kämpft gegen die Palmölindustrie in Südostasien. Waldrodungen würden das Klima massiv anheizen. Sie seien für ein Fünftel der globalen Co2-Emissionen verantwortlich. «Indonesien ist flächenmassig zwar ein kleines Land, aber auf dem dritten Platz bei den Emissionen weltweit, hinter den USA und China», sagt Roesle. Ursache dafür sei die Entwaldung. Doch Nahrungsmittelkonzerne kümmert dies nur wenig. Ihre Lieferanten zerstören weiterhin Regenwälder, Orang-Utans verbrennen oder irren orientierungslos auf den Plantagen umher.

Nestlé gegen Biotreibstoffe

Der Nahrungsmittel-Multi Nestlé bezieht für seine Produkte jährlich 170'000 Tonnen Palmöl – zum Teil von Palmölgesellschaften, die Regenwald roden. Vor der Kamera will der Konzern keine Stellung nehmen. Nestlé schreibt: «Der Anstieg der Palmölproduktion ist auch wesentlich darauf zurückzuführen, dass Palmöl einer der wichtigsten Rohstoffe zur Herstellung von Biotreibstoffen ist. Nestlé hat sich wiederholt dagegen ausgesprochen, dass Nahrungsmittel für Biotreibstoffe verwendet werden.»

Die Palmölindustrie hat 2002 einen runden Tisch für nachhaltiges Palmöl gegründet. Vertreten sind im sogenannten RSPO rund die Hälfte der Palmölproduzenten, Händler, Banken, Palmöl-Käufer und NGOs. Auch Unilever macht mit sowie Coop und Migros. Ihr deklariertes Ziel: Zertifiziertes Palmöl, das nachhaltig produziert wird.

Greenpeace: «Greenwashing»

Doch der RSPO steht erst am Anfang. Palmölproduzenten roden weiterhin für ihre Plantagen. Greenpeace kritisiert, die Teilnehmer des RSPO würden ihr Nachhaltigkeitsengagement kommunizieren, ohne dass sie die Entwaldung verhindern können. Asti Roesle: «Für uns ist das schlichtweg Greenwashing.» Anders sieht das RSPO-Präsident Jan Kees Vis von Unilever: Der runde Tisch sei der beste Weg, möglichst viele der Palmölbranche einzubinden.

Doch Vis räumt Schwachpunkte ein. «Nötig wäre eine Verschärfung der RSPO-Kontrolle besonders bei neuen Palmölplantagen, wenn dafür neues Land erschlossen wird.» Derzeit beginnt die Überprüfung, ob es sich um schützenswerten Wald handelt und ob der Wald für neue Plantagen überhaupt erschlossen werden dürfte, erst nach der Bepflanzung. Doch die Kontrolle sollte davor beginnen.

Auch Migros am Pranger

Migros verbraucht 6000 Tonnen Palmöl pro Jahr für verschiedene Eigenprodukte. Als Gründungsmitglied des RSPO betont Migros immer wieder ihr Engagement für den Schutz des Regenwaldes. Doch «Kassensturz» weiss: Auf der Insel Borneo im indonesischen Central Kalimantan hat der Hauptlieferant der Migros – die IOI Groupe – erst 2007 Land für neue Palmölplantagen erworben. Darauf rodet die IOI Groupe Regenwälder. Das beweisen die Koordinaten auf dem GPS-Gerät.

Im Rodungsgebiet befinden sich gemäss Umweltprogramm der Vereinten Nationen auch Lebensräume der Orang-Utans. Die Migros rechtfertigt sich: Ihr Lieferant, die IOI Groupe, hätte versichert, sie würde nur Regenwald roden, der nach RSPO-Kriterien nicht schützenswert sei. «Wir müssen uns auf diese Aussagen verlassen und natürlich werden wir diese Vorwürfe auch überprüfen. Treffen die Vorwürfe zu, müssten wir allfällige Konsequenzen überlegen», sagt Migros-Sprecherin Monika Weibel.

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