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Umwelt und Verkehr Pharmafirma hält an Wirkstoff aus Stutenblut fest

Ein Hormonpräparat aus Pferdeblut hilft Züchtern bei der Nutztierproduktion. Das Medikament ist umstritten, seit Berichte gezeigt haben, wie den Pferden in Südamerika das Blut unter Qualen abgezapft wird. Die Pharmafirma MSD Animal Health in Luzern will jedoch nicht darauf verzichten.

Die MSD Animal Health GmbH in Luzern ist eines der führenden Unternehmen in der Schweiz für Veterinärmedizin. Ein Verzicht auf das umstrittene Hormon PMSG kommt nicht in Frage, schreibt die Pharmafirma auf Anfrage des Konsumentenmagazins «Espresso» von Radio SRF1: «Gegenwärtig sind keine vergleichbaren synthetischen Alternativen zu PMSG verfügbar. Wir werden auch weiterhin Produkte mit PMSG vertreiben.»

Im September 2015 machten die SRF-Konsumentensendungen «Kassensturz» und «Espresso» eine Recherche des Zürcher Tierschutzbundes publik. Dieser hatte auf Pferdeblut-Farmen in Uruguay und Argentinien gefilmt, wie trächtigen Pferdestuten gewaltsam Blut abgezapft wird.

Dieses wird zu einer Tiermedizin verarbeitet, das Nutztiere (vor allem Schweine) fruchtbar machen soll. Das Leiden der Pferde geht nach der Blutentnahme weiter. Ihre Föten werden zum Teil von Hand zerdrückt. Es kommt zu Fehlgeburten.

Reguliert oder nicht…

Nach den Medienberichten betont nun die kritisierte Pharmafirma MSD Animal Health, dass die gezeigten Tierquälereien nicht auf Pferdefarmen gefilmt worden seien, mit denen sie zusammenarbeite. Man halte sich ausserdem stets an die «regionalen gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen bezüglich der Entnahme von Blutplasma.»

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In den schriftlichen Antworten auf die Fragen von «Espresso» hielt die Firma auch fest, dass die Pferdefarmen von eigenen Tierärzten besucht würden, welche die Einhaltung der vertraglichen Tierschutzstandards untersuchten.

Für York Ditfurth vom Zürcher Tierschutzbund ist die Stellungnahme der MSD Animal Health fadenscheinig. Zwar seien im Film auch Prügelszenen aus Farmen gezeigt worden, die andere Pharmafirmen beliefern als die MSD. Es seien aber alle Pferdeblutfarmen in Argentinien und Uruguay besucht und dokumentiert worden.

Und die Zustände seien überall gleich oder noch schlimmer als im gezeigten Beispiel. Laut Ditfurth gibt es in Südamerika gar keine Regulatorien für die Blutentnahme auf Pferdefarmen: «Dieses Geschäft ist seit 30 Jahren in einer Grauzone. Regierungsvertreter aus Argentinien und Uruguay haben uns bestätigt, dass es für das Blutgschäft keine Audits und Überprüfungen gibt.»

Pferdeblut-Tankstelle: Wo ist die Grenze?

Widersprüchlich sind die Angaben der Tierschützer und der MSD Animal Health auch bei der Frage, wieviel Blut den Pferden jeweils abgezapft wird. Der Tierschutzbund prüfte die Aderlasskanülen auf den Pferdefarmen und liess sich von Tierärzten bestätigen, dass den Pferden jedes Mal rund zehn Liter Blut abgenommen werde. Damit schwäche man die verhältnismässig kleinen Pferde ganz entscheidend.

MSD Animal Health schreibt auf die Frage von «Espresso» nach den geltenden Grenzen lediglich: «Es bestehen klare Grenzen zur Blutentnahme, sowohl bezüglich der vorgesehenen Blutmenge wie auch den festgelegten Abständen zwischen den Blutentnahmen, die unter tierärztlicher Aufsicht stattfinden.»

Aufgezogen oder abgetrieben?

Die Stuten auf den Pferdefarmen sind trächtig, damit das Hormon PMSG gewonnen werden kann. MSD Animal Health hält fest, dass die Fohlen anschliessend ausgetragen werden. Dann verkaufe man sie als Arbeitstiere oder ziehe sie auf: «Dies macht für die Farmen auch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn, da Pferde für die lokale Wirtschaft wichtig sind.»

Teilweise werden auf den Blutfarmen tatsächlich Pferde nachgezüchtet, um wieder genügend Stutenfohlen zu bekommen, bestätigt York Ditfurth vom Zürcher Tierschutzbund von seiner Recherchereise zu den Pferdeblutfarmen «Las Marquesas» und «La Paloma» in Uruguay.

Was im Allgemeinen mit den männlichen Fohlen dort passiere, wisse man nicht. Man wisse aber «dass man in die Stuten eingreift und die Föten abdrückt, woraufhin diese Tiere einen Abort bekommen.» Die Pferdefarmen seien denn auch übersät gewesen von Pferdeknochen aus solchen Fehlgeburten.

Verzicht der Importeure und Züchter

Während die Pharmafirmen weiterhin Tiermedikamente aus dem Hormon PMSG produzieren wollen, haben andere Branchen auf die Medienberichte reagiert. Der Schweizerische Schweinezuchtverband, Importeure, Tierärzte und Detailhändler haben versprochen, künftig auf Produkte mit PMSG zu verzichten.

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