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Umwelt und Verkehr Plastik im Honig: Test zeigt Verschmutzung im Naturprodukt

«Kassensturz» hat Honig analysieren lassen. Der Befund ist beunruhigend. In jedem der 20 Produkte fand das Labor kleine Plastikteilchen. Am meisten Plastik enthielt der Schweizer Honig. Das Resultat zeigt, wie stark die Plastikverschmutzung die Umwelt belastet - und auch die Gesundheit gefährdet.

Die Plastikverschmutzung der Umwelt hat die Bienen erreicht. Das zeigt ein Test der Konsumentensendung «Kassensturz» von SRF. 20 Honigprodukte hat «Kassensturz» untersuchen lassen.

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Erschreckendes Ergebnis: In jeder Probe hatte es kleine Plastikpartikel. Professor Gerhard Liebezeit, der die Proben analysiert hat, kritisiert: «Honig hat den Ruf ein natürliches Produkt zu sein. Der gefundene Plastik zeigt: wir belasten ein Naturprodukt mit Stoffen, die wir Menschen erzeugt haben.»

Schweizer Honig am meisten verschmutzt

Die Resultate

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Vergleich von 20 Honigen als Tabelle (PDF)

Der Chemiker hat jeden Honig bei 70 Grad verflüssigt und anschliessend gesiebt. Winzige Plastikteilchen landen auf dem Filter.

Die Vergrösserung unter dem Mikroskop macht die Verschmutzung deutlich. Nebst den gelben Honigpollen sind auch Plastikfasern sichtbar. Auffallend: Die Mehrheit der starkverschmutzten Honige stammen aus der Schweiz.

Doch woher stammt dieser Kunststoff? Der Experte, der sich seit Jahren mit der Auswirkung von Plastik auf die Umwelt befasst, unterscheidet drei Formen von Mikroplastik:

  • Fasern kommen aus dem Abrieb von Bekleidungsstücken.
  • Fragmente stammen von grösseren Plastikfolien.
  • Granuläres Material stammt aus Kosmetika und Zahnpasta, die Mikroplastik enthalten.

Besonders in der Kritik stehen Kosmetika, die winzige Plastikkügelchen enthalten. Diese gelangen dann übers Abwasser in die Umwelt. «Kassensturz» hat darüber berichtet (« Mikroplastik in Lebensmitteln: Kosmetikprodukte unter Verdacht » vom 21.01.14). Viele Hersteller haben angekündigt, auf die unnötigen Inhaltsstoffe verzichten zu wollen.

Aber auch der grosse Plastikabfall zerfällt irgendwann zu kleinen Teilchen. Diese geraten in die Atmosphäre und werden über grosse Entfernungen transportiert. Der Plastik lagert sich in den Blütenpollen ab und gelangt in den Honig.

Schweizer Imker planen eigene Studie

Richard Wyss ist Präsident des Vereins Deutschschweizer und Rätoromanischen Bienenfreunde.

Dass man Plastik im Honig findet, beunruhige die Imker, aber es sei erklärbar: «Bienen sammeln das, was sie in der Umwelt finden. Heute findet man überall Plastikteile, in der Luft, im Wasser, im Zuckerfutter. Das ist kein Honigproblem, sondern ein allgemeines Umweltproblem», sagt Richard Wyss im «Kassensturz».

Pro Kilo Honig fand das Labor zwischen 50 bis maximal 210 Teilchen. Am meisten Plastik fand das Labor im Schweizer Honig .

An der Honigverschmutzung sind die Imker möglicherweise nicht ganz unschuldig. Im Bienenstock ist längst nicht alles so schön natürlich. Der Imkerpräsident Wyss sagt: «Für die Beuten, also die Bienenwohnungen verwenden wir nebst Holz vermehrt auch Kunststoffe. Das Styropor schützt die Biene gut vor Kälte.»

Vermeiden Sie Plastik

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Ein Teil der Plastikverschmutzung in den Lebensmitteln stammt von Kosmetika. Die Internetseite und das App von Codecheck hilft neu solche Produkte schnell zu erkennen: Strichcode scannen und Infos lesen. Wie es funktioniert

Das Plastikzeitalter macht auch vor dem Bienenstock nicht Halt. Der Imkerverein plant in diesem Jahr eine grosse Studie, mit dem Ziel die eigenen Plastikquellen ausfindig zu machen.

Den hohen Anteil von Mikroplastik im Schweizer Honig begründet der Imkerpräsident auch mit breitmaschigeren Sieben: «Der Imker will einen naturreinen Honig. Das bedingt, dass der Pollen im Honig gelassen wird. Das Sieb darf also nicht zu fein sein. Das schreibt auch unser Qualitätslabel vor.»

Bei noch feineren Sieben müsse von Filtration gesprochen werden. Der Pollen gehe verloren, der Honig sei vermindert in der Qualität.

Bundesamt : Keine Gesundheitsgefahr

Wie gefährlich ist Mikroplastik für den Menschen? «Kassensturz» zeigt in Bern dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit die Analyseresultate. Für Abteilungsleiter Michael Beer bedeutet der Plastik im Honig keine Gesundheitsgefahr.

«Wir wollen kein Plastik essen im Honig. Aber die Plastikkonzentrationen sind minim, etwa ein Sandkorn pro Kilo. Lebensmittel interagieren mit der Umwelt. Dementsprechend finden wir kleinste Teilchen im Honig und auch in anderen Lebensmitteln», sagt Michael Beer im «Kassensturz».

Umweltmediziner: Gefahr nicht unterschätzen

Als nicht so harmlos schätzt Umweltmediziner Hans-Petter Hutter das Problem ein. Der Professor der Medizinischen Universität Wien erforscht seit Jahren die globale Plastikverschmutzung und die Risiken für den Menschen.

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Da der Plastik auch die Luft und andere Lebensmittel verschmutzt, ist unklar wie viel Kunststoff der Mensch tagtäglich aufnimmt. «Das Gesundheitsrisiko kann man mit heutiger Datenlange nicht abschätzen», erklärt der Wissenschaftler. Klar es gebe keine Todesopfer. «Aber zu sagen, bei diesen geringen Mengen bestünde keine Gefahr, ist auch nicht seriös.»

Stellungnahmen der Hersteller

Die Verkäufer und Produzenten der untersuchten Honige weisen in ihren Stellungnahmen daraufhin, dass es sich bei der Mikroplastikverschmutzung des Honigs um eine generelle Umweltproblematik handle. Diese könne weder von den Imkern noch den Abfüllern und Verkäufern beeinflusst werden. Coop will das universelle Thema weiter verfolgen und direkt an der Quelle gegen die Plastikverschmutzung vorgehen: Bei den Eigenmarken-Pflegekosmetika verzichtet Coop auf den Einsatz von Plastikkügelchen.

Denner sieht die beim Blütenhonig gezählten 168 Plastik-Partikel «nach den gegenwärtigen Erkenntnissen als nicht problematisch an.» Umgerechnet auf ein Honigbrot entspreche das 1 bis 2 Plastikteilchen. Auch die Narimpex AG, ein grosser Honigproduzent und Lieferant mit Sitz in Biel, schliesst eine gesundheitliche Gefährdung der Honigkonsumenten aus und erwähnt weiter: «Die Problematik „Umweltbelastung durch Mikroplastik“ und dadurch hervorgerufene Risiken betreffen alle Lebensmittel.» Migros erwähnt eigene Untersuchungen bei ihren Honigprodukten. Dabei seien keine Plastikrückstände gefunden worden.

Das Reformhaus Müller schreibt «Kassensturz», dass sich das Plastikproblem nur mittels unzulässiger Mikrofiltration des Honigs lösen liesse. Ernährungstechnisch wäre diese Lösung aber nicht sinnvoll, da so viele wertvolle Inhaltsstoffe wegfiltriert würden, so das Reformhaus Müller. Aldi ist der Meinung, dass dem «heiklen Thema auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.» Der Gesetzgeber soll die Forschung über das vom Mikroplastik ausgehende biologische Risiko fördern.

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