«Ich kaufe nur Fisch mit dem MSC-Label, weil ich keine bedrohten Fische will», sagt eine junge Kundin vor der Fischtheke. Sie ist leidenschaftliche Taucherin und möchte die Fischbestände durch ihr Konsumverhalten nicht gefährden.
Aus überfischten Beständen?
Diese Aussage zweifelt der Meeresbiologe Rainer Froese an. Der renommierte Forscher vom Geomar Helmholtz Institut für Meeresforschung in Kiel an befasst sich seit Langem mit dem Problem der Überfischung.
Zusammen mit Kollegen hat er die Bestandes- und Fangmengen der MSC-zertifizierten Fischereien untersucht ( «Überfischt und trotzdem aufgetischt» ).
Der Befund ist alarmierend: «Etwa bei einem Drittel der MSC-Bestände ist der Fischereidruck zu gross und der Bestand zu klein», sagt der Forscher in der Sendung «Kassensturz».
Mit anderen Worten: Die Fische stammen aus überfischten Beständen. «Man fischt mehr raus, als nachwächst», so Froese.
Seelachs trotz Schwund mit MSC-Siegel
Als Beispiel führt der Meeresbiologe den Seelachs aus der Nordsee an. Der beliebte Speisefisch landet als Schlemmerfilet oder Fischstäbchen im Teller. Sein Bestand hat in den letzten Jahren immer weiter abgenommen.
Laut Froese steht er nahe an der Grenze des Zusammenbruchs. Trotzdem trägt der Seelachs das MSC-Label. «Das Label müsste entzogen werden», kritisiert Rainer Froese.
Auch Problemfischereien erhalten Siegel
MSC wurde 1997 vom Lebensmittel-Multi Unilever und dem WWF gegründet. Seitdem hat sich das Siegel stark entwickelt. Mittlerweile tragen laut MSC rund 8 Prozent der weltweiten Wildfänge das Siegel.
Rainer Froese sieht in dieser Mengenausweitung ein Problem. Die Organisation sei in letzter Zeit dazu übergegangen, auch problematischen Fischerei das Siegel zu vergeben.
Zu Beginn habe MSC nur Fischereien zertifiziert, die in Ordnung waren. «Davon gibt’s leider nicht so viele. Und jetzt zertifiziert MSC mehr und mehr Fischereien, die eigentlich nicht in Ordnung sind.»
MSC weist Kritik zurück
«Keine einzige Fischerei, die MSC-zertifiziert ist, operiert auf einem überfischten Bestand», sagt Christopher Zimmermann vom wissenschaftlichen Beirat des MSC in der Sendung «Kassensturz».
Der stellvertretende Direktor des Instituts für Ostsee-Fischerei in Rostock ist der Vorsteher des wissenschaftlichen Beirates des MSC. Die Kritik der Studie weist er pauschal zurück.
«Zu diesem Schluss kommt man nur, wenn man die Definition von Überfischung zu streng anwendet.» MSC müsse sich jedoch an die international anerkannten Richtwerte halten. Auch beim Seelachs aus der Nordsee sieht Zimmermann kein akutes Problem.
Studie richtet sich nach internationalem Seerecht
Die Studienautoren richten sich nach dem internationalen Seerechtsabkommen von 1984. Man könne hier nicht von einer übertrieben strengen Definition von Überfischung sprechen, so Froese. Die Argumentation des MSC weist er als Ablenkungsmanöver zurück.
Greenpeace kritisiert WWF-Fisch-Label
Auch bei den Gütesiegeln für Fisch-Zuchten gibt es Unklarheiten: Seit mehr als zwei Jahren spricht der WWF von dem neuen Fisch-Label ASC, das nachhaltige Fischzuchten auszeichnet. Nun kommt es in die Regale. Doch andere Umwelt-Organisationen wie zum Beispiel Greenpeace halten nicht viel davon.