Sicherheit ist das oberste Gebot der Fliegerei. Bei Temperaturen um den Nullpunkt oder Schnee ist es notwendig, ein Flugzeug zu enteisen. Weil die Enteiserflüssigkeit grosse Mengen an Kohlenstoff enthalten, muss sie speziell entsorgt werden. Der Flughafen Zürich setzt seit 2003 auf eine umweltgerechte Entsorgung. Die Enteiserabwasser werden gesammelt und später Kläranlagen oder dem Recycling zugeführt. Rund die Hälfte der Flüssigkeit wird auf dem Flughafenareal verregnet. Bakterien im Boden bauen den Kohlenstoff biologisch ab.
Nur partiell umweltgerecht
Diese umweltgerechte Entsorgung funktioniert im neuen Teil des Flughafens. Das alte Areal ist nicht an der Kanalisation angeschlossen. Hier muss der Flughafen die anfallenden Enteiserabwasser mit Putzmaschinen aufsaugen. So verlangt es die Aufsichtsbehörde AWEL des Zürcher Baudepartementes.
An harten Wintertagen kommt das Aufputzen oft zu kurz. Das beweisen Videobilder, die «Kassensturz» zugespielt wurden. Am Boden liegen grosse Mengen von Schneematsch und Enteiserflüssigkeit. Ein Grossteil fliesst unbehandelt in die Gewässer.
Enteiserflüssigkeit in Gewässern
Für «Kassensturz» nehmen Gewässerschutzexperten des AWEL eine gezielte Stichprobe. Das Wasser stammt aus einem Kanal, welcher vom alten Flughafenareal direkt in den Fluss Glatt führt. Von blossem Auge ist im Wasser ein weisser Bakterienbefall erkennbar, es riecht stark. Die Messungen später im Labor lassen keinen Zweifel offen: Hier fliesst Enteiserflüssigkeit ab. Die gemessene Stichprobe liegt 26-fach über dem Grenzwert für gelöste, organische Kohlenstoffe DOC. Der Kohlenstoff sei zwar biologisch abbaubar, aber ein Risiko bleibe, warnt Pius Niederhauser vom AWEL. «Beim Abbau durch die Mikroorganismen wird Sauerstoff verbraucht. Geschieht der Abbau zu schnell, wird es kritisch für die Fische.»
Unnötige Gewässerverschmutzung
Trotz einer modernen Entsorgungsanlage fliesst in einem strengen Winter bis zu 250 Tonnen Enteiser unbehandelt in die Glatt. Diese Tonnage habe nichts mit einer unkorrekten Entsorgung auf dem alten Areal zu tun, betont der Leiter Airfield Maintenance Hanspeter Moll: «Wir wischen auf, haben aber nicht hundert Fahrzeuge, die das gleichzeitig machen können. Bevor die Enteiser aber in die Glatt geschwemmt werden, nehmen wir sie auf.» Die in der Glatt nachgewiesenen Enteiser würden entlang der Pisten anfallen, enthielten aber keine giftige Chemie, erklärt Hanspeter Moll.
Schonfrist für Flughafen
Der Gewässerschutz-Experte Markus Boller hat über 25 Jahre zum Thema «Enteiser» geforscht. Dass der Flughafen Zürich noch immer bis zu 250 Tonnen Kohlenstoff in die Gewässer lassen darf, versteht er nicht: «Rechnet man diese Mengen an Kohlenstoff auf die Anzahl Personen, welche die gleiche Menge an Abwasser produzieren, entspricht das einer Stadt mit rund 60'000 Einwohnern.» Um diese Menge an Abwasser zu entsorgen, brauche es eine grössere Kläranlage. Der ehemalige ETH-Professor kritisiert, dass die Behörden beim Flughafen offenbar ein Auge zudrücken. Für die Wasserqualität ist allerdings Besserung in Sicht: Ab 2014 tolerieren die Behörden keine Grenzwertüberschreitungen mehr. Bis dann muss der Flughafen 95 Prozent aller Enteiserabwasser sammeln und umweltgerecht entsorgen.