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Umwelt und Verkehr Volle Kanone gegen die Natur

In der Schweiz sind so viele Schneekanonen im Einsatz wie nie zuvor. Die massive Aufrüstung mit Schneekanonen hat ihren Preis: Speicherseen und Kühltürme verunstalten die Landschaft, Vegetation und Wild leiden, der Wasser- und Energiebedarf für Kunstschnee ist enorm.

Skigebiete in der ganzen Schweiz rüsten massiv auf und investieren Millionen in Schneekanonen. Vor 10 Jahren wurden knapp 7 % aller Pisten in der Schweiz künstlich beschneit. Vor fünf Jahren waren es bereits 19 %. Heute beschneien Schneekanonen eine Pistenfläche in der Grösse von 10 000 Fussballfeldern, das sind 36 % der gesamten Pistenfläche.

Ein Ende dieser Aufrüstung ist nicht absehbar. Das hat seinen Preis: Ein einziger Kilometer Kunstschnee-Piste kostet eine Million Franken. Dazu kommen jährliche Betriebskosten von schätzungsweise bis zu 70 000 Franken.

Schattenseiten des künstlichen Weiss

An die Kasse kommt auch die Natur. Die ökologischen Auswirkungen seien massiv, warnt Hans Fritschi von Pro Natura. Mit dem Bau von Beschneiungsanlagen würden oft Pisten ausgeebnet und planiert. Ein aktuelles Bespiel: Wenige hundert Meter neben einem Naturschutzgebiet haben die Titlisbahnen diesen Sommer eine neue Beschneiungsanlage gebaut. Kostenpunkt 3,4 Millionen Franken. Für Fritschi ist klar, dass Bagger die Piste planiert haben: «Auf einer planierten Fläche lässt sich effizienter beschneien.»

Der Geschäftsführer der Titlisbahnen, Norbert Patt, betont, dass der Bau von einem Umweltfachmann begleitet worden sei. Am Kunstschnee führe heute kein Weg mehr vorbei: «Wir sind in einem intensiven touristischen Gebiet, quasi in einer Industriezone. Wir müssen das Gebiet intensiv nutzen können, immer unter Schonung der Natur, so dass wir auch einen vernünftigen Sommerbetrieb anbieten können.»

Immenser Wasserbedarf

Die Produktion von Kunstschnee ist ausserordentlich wasserintensiv. Bereits ein mittelgrosses Skigebiet wie Wildhaus braucht zwei Speicherseen. Berechnungen der Uni Savoyen zeigen: In den gesamten Alpen wird mehr Wasser verschneit, als die Städte Zürich, Genf, Basel, Bern jährlich zusammen an Trinkwasser konsumieren. Doch viele Bergbahnen sehen darin kein Problem, das Wasser schmelze ja wieder und sei nicht verloren. Hans Fritschi von Pro Natura bestätigt, dass das Wasser im Kreislaufe bleibe, weist aber darauf hin: «Das Wasser fehlt im trockenen Herbst und fällt im Frühling als zusätzliches Schmelzwasser an, in einer Zeit in der es schon genügend Wasser hat.»

Symptombekämpfung gegen Klimaerwärmung

In Lauterbrunnen steht eine besonders fragwürdige Beschneiungsanlage. Hier am Fusse des Jungfraumassivs wird bis auf 800 Meter tief beschneit. Wegen der Klimaerwärmung macht das Beschneien in solch tiefen Lagen längerfristig keinen Sinn. Schneien kann man nur mit eiskaltem Wasser. Oft ist es zu warm, dann muss es mit viel Energie runtergekühlt werden. Zu diesem Zweck dienen spezielle Kühltürme. Hans Fritschi erklärt: «Da sich das gepumpte Wasser erwärmt, muss es wieder runtergekühlt werden. Die Produktion von Kunstschnee erfordert möglichst tiefe Luft- und Wassertemperaturen.» Generell ist das Beschneien sehr energieintensiv. Die Bergbahnen brauchen bereits ein ganzes Drittel ihres Strombedarfs dafür. Ungeachtet dessen wird der Anteil an Kunstschnee in Zukunft weiter wachsen. Die Probleme der künstlichen Beschneiung werden damit nicht kleiner, im Gegenteil.

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