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Verlustscheine: Intrum probierts mit Zuckerbrot und Peitsche
Aus Espresso vom 15.11.2016. Bild: SRF
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Geld Verlustscheine: Intrum probierts mit Zuckerbrot und Peitsche

Ab nächstem Jahr werden wegen einer Gesetzesrevision unzählige Verlustscheine verjähren. Das Inkassobüro Intrum Justitia versucht derzeit mit Zuckerbrot und Peitsche, genau das zu verhindern.

Das Inkassobüro Intrum Justitia ist bekannt dafür, offene Rechnungen mit teilweise unkonventionellen Methoden einzutreiben.

In den letzten Wochen haben wieder einmal Tausende Personen Post von Intrum Justitia bekommen. «Unser Angebot für Sie: Reduktion Ihres Verlustscheines um 80%» heisst es im Titel. Dann wird es kryptisch: Von Unterbruch der Verjährung ist die Rede, von Betreibung und zusätzlichen Kosten.

Intrum Justitia will die Verjährung verhindern

Der Kunde hat die Wahl: Entweder zahlt er 20 Prozent seiner Schuld aus dem Verlustschein oder er muss das Formular «Verjährungseinredeverzichtserklärung betreffend Forderung gemäss Verlustschein» unterschreiben. Wer das tut, der verzichtet darauf, dass seine Schuld bald verjähren würde.

Künftig verjähren Verlustscheine nach 20 Jahren automatisch

Intrum Justitia will so verhindern, dass sie Forderungen aus Verlustscheinen nicht mehr eintreiben kann. Früher waren Verlustscheine nicht verjährbar. Betroffene konnten nach Jahren oder Jahrzehnten wieder belangt werden.

Brief
Legende: Der Brief im Wortlaut. SRF

Nächstes Jahr wird sich eine Gesetzesrevision aus dem Jahr 1997 auswirken, wonach neu Verlustscheine nach 20 Jahren automatisch verjähren. Allerdings kann diese Frist mit einer Betreibung oder mit einer Unterschrift des Betroffenen unterbrochen werden.

Wer das Formular also unterschreibt, verzichtet auf diese automatische Verjährung und kann von Intrum Justitia auch künftig gemahnt, betrieben und belästigt werden.

Fachleute schütteln den Kopf

Dass Intrum Justitia nun versucht, so viel Geld wie möglich vor der Verjährung zu retten, daran ist nichts auszusetzen. Einmal mehr aber sorgt die Art und Weise bei Fachleuten für Kopfschütteln. Die Schreiben sind für Laien kaum verständlich.

Mario Roncoroni, Co-Leiter der Berner Schuldenberatung kritisiert, dass Intrum «uralte Verlustscheine ausgrabe» und die Schuldner zum Teil nach zwanzig Jahren wegen oftmals längst abgeschriebener Forderungen in Aufregung versetze: «Das erzeugt viel unnötiges Leid».

Zum Vorwurf, ihr Scheiben sei unverständlich, schreibt Intrum Justitia «Espresso», der Text müsse rechtlichen Ansprüchen genügen. Aus dem Zusammenhang gehe aber klar hervor, worum es sich handle. Dennoch werde man das Formular noch einmal überarbeiten und anpassen.

Wer von der Intrum einen solchen Brief bekommt, sollte sich unbedingt rechtlich beraten lassen. Auf der Redaktion von «Espresso» haben sich verschiedene Betroffene gemeldet. In zwei Fällen handelt es sich um Senioren, die von ihrer AHV-Rente leben. Wenn sie nicht zahlen und auch die Verjährungseinrede-Verzichtserklärung nicht unterschreiben, könnten sie zwar von der Intrum betrieben werdne. Doch das wird dem Inkassobüro ausser Spesen nichts einbringen, denn eine AHV-Rente ist nicht pfändbar.

Betroffene sollten sich rechtlich beraten lassen

Anders bei Personen, die arbeiten und einen Lohn haben, der über dem Existenzminimum liegt oder bei Personen, die nach einem Privatkonkurs wieder ein Einkommen erzielen. Dort gilt es abzuklären, welche Konsequenzen eine Betreibung nach sich ziehen könnte. Beratungen gibt es bei spezialisierten Rechts- und Schuldenberatungen (Adressen siehe Linkbox).

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