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Versicherungen IV-Rente grundlos gestrichen

Aus heiterem Himmel streicht die Basler Versicherung einer Frau die monatliche IV-Rente. Ohne Ankündigung und innert Monatsfrist. Eine unglaubliche Fehlleistung.

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Am 14. September 2010, nachmittags, bricht für Eva Meier die Welt zusammen. Sie ist auf dem Weg zum Einkaufen und holt vorher bei der Post einen eingeschriebenen Brief ab. Noch unterwegs öffnet sie das Couvert. Die Basler Versicherung teilt ihr mit, dass ihre monatliche Rente über 5000 Franken ab sofort gestrichen sei.

Sparübung mit System

Eva Meier ist geschockt: «Ich habe mich gar nicht mehr getraut einkaufen zu gehen. Ich habe gedacht, das kann ich mir ja gar nicht mehr leisten.» Mit der Renten-Streichung verliert Eva Meier ihre Existenzgrundlage. Und dies innerhalb nur eines Monats.

Vor 15 Jahren erlitt Eva Meier einen Skiunfall. Beim Sturz fiel sie böse auf den Kopf. Wochenlang war sie danach in der Therapie beim Basler Zentrum für Querschnittgelähmte und Hirnverletzte.

Ohne Erfolg. Die ehemals sportliche und beruflich erfolgreiche Bankangestellte konnte nie wieder arbeiten – trotz jahrelanger Physiotherapie. Im Gegenteil: Ihr Zustand verschlimmerte sich im Laufe der Zeit. Denn die Erkenntnis, nicht mehr arbeitsfähig zu sein, schlug der ehrgeizigen Frau zusätzlich aufs Gemüt. Neurologische, neuropsychologische Abklärungen und diverse Gutachten bestätigen klare Funktionsstörungen des Hirns.

Krasse Fehlleistung

Die Rentenstreichung der Basler Versicherung hat System. Versicherungen überprüfen regelmässig laufende Fälle. Bei Eva Meier handelt es sich um eine Rente, die aufgrund der Unfallversicherung zustande kam. Diese Rente hätte die Basler Versicherung bis an Meiers Lebensende auszahlen müssen. Das kann bei der 61-jährigen Frau auf eine Summe von weit über einer Millionen Franken steigen.

In ihrem siebenseitigen Brief kommt die Basler Versicherung nun plötzlich zum Schluss, dass die in Untersuchungen «geltend gemachten Beschwerden sowie die 100-prozentige Arbeitsunfähigkeit nicht» in einem beweisbaren Zusammenhang zum Skiunfall stehen würden. Damit widerspricht die Basler Versicherung einem Gutachten, dass sie selber vor über 10 Jahren in Auftrag gegeben und bezahlt hat.

Besonders krass: Die Basler Versicherung strebte bei Eva Meier nicht eine Revision an. Dabei würde die Rente allenfalls angepasst. Die Basler bediente sich der Wiedererwägung. Bei der Wiedererwägung gehen die Versicherungen aufs Ganze: Damit wollen sie die Rente nicht nur kürzen, sondern völlig streichen.

Paradox bei diesem Vorgehen: Die Basler Versicherung müsste beweisen können, dass ihr erstes Gutachten zum Fall nicht nur ein wenig falsch, sondern «zweifellos unrichtig» war. So steht es im Sozialversicherungsrecht.

«Als wäre ich Abfall»

«Genau das hätte die Basler nie beweisen können», sagt der Anwalt von Eva Meier, Werner Kupferschmid. Ihn stört vor allem, «dass man einem völlig unausgegorenen Entscheid direkt der Klientin geschickt hat». Sie beziehe seit über zehn Jahre eine Rente, das heisst, «die Basler Versicherung hat sie gekannt und aus vielen Gutachten gewusst, dass sie psychisch angeschlagen ist».

Für Kupferschmid ist der Fall zwar ein extremes Beispiel. «Aufgrund der neuen Rechtsprechung und nach den neuen Gesetzesvorhaben weht ein deutlich rauerer Wind. Immer mehr Leute müssen damit rechnen, dass ihre Rente heruntergesetzt oder ganz aufgehoben wird.»

Eva Meier hat alles versucht, wieder gesund zu werden. Deshalb stört es sie besonders, wie die Versicherung mit ihr umgeht: «Es hat mich sehr geschmerzt, dass die Basler mich wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt hat und mit mir umgegangen ist, als wäre ich Abfall.»

Basler krebst zurück

Nachdem sich Anwalt und «Kassensturz» eingeschalten haben, reagierte die Basler prompt. Sie gibt zu, dass bei der Abklärung mehrere Fehler vorgekommen seien. «Wir bedauern unser unglückliches Vorgehen ausserordentlich. Die Verfügung vom 14. September 2010 haben wir umgehend rückgängig gemacht.»

Um in Zukunft solche Fehler zu vermeiden, haben die Basler bereits gehandelt und «die internen Abläufe analysiert und angepasst». Da es sich bei Eva Meier um die obligatorische Unfallversicherung handle, seien die Versicherungen gesetzlich verpflichtet, «die Rentenleistungen regelmässig zu überprüfen».

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