Lea ist 5 Jahre alt und seit Geburt schwer behindert. Sie leidet unter einer ganz seltenen Stoffwechselkrankheit und kann nicht stehen, nicht sitzen, nicht sprechen. Das Kind braucht täglich mindestens 10 Stunden intensive Betreuung. Einmal pro Woche kommt die Kinderspitex.
Rückwirkend eingestellt
Die ausgebildete Pflegefachfrau beobachtet Lea genau. Bei einem epileptischen Anfall oder einem Atemstillstand könnte sie richtig reagieren. Bis jetzt hat die Krankenkasse KPT die 5 Stunden Kinderspitex pro Woche bezahlt. Doch im August schreibt KPT, sie stelle ihre Leistung rückwirkend auf den 1. Feburar ein.
Folge: Die alleinerziehende Mutter steht vor einem Schuldenberg in der Höhe von rund 10'000 Franken. Mäder lebt am Existenzminimum, sie arbeitet 30 Prozent. «Wir haben im Grund genommen keine Zukunftsperspektive mehr. Wir werden gezwungen, auf das Sozialamt zu gehen – ein Ort, wo ich nie hinwollte», sagt Stefanie Mäder.
Versicherungen uneinig
Eine absurde Situation, findet Leas behandelnder Arzt, Kinderneurologe Silvano Vella. Er sagt, wenn die 5 Stunden Spitex entfallen, wäre die Familie nicht mehr in der Lage, die Pflege selbst zu übernehmen. «Die Familie würde getrennt. Das Kind käme in ein Heim.» Diese enorme Kostensteigerung werde nicht mehr von den Krankenkassenprämien, sondern vom Steuerzahler getragen, sagt der Arzt.
Die KPT will ihren Entscheid vor der Kamera nicht begründen. Die Krankenkasse sagt: Für Leas Pflege müsse von Gesetzes wegen nicht die KPT aufkommen, sondern die Invalidenversicherung. Doch die IV-Stelle Bern sagt, es handle sich hier um die «Grundpflege» – und die werde von der IV nicht übernommen. Schwer zu verstehen: Denn käme Lea in ein viel teureres Pflegeheim, müsste die IV diese Kosten übernehmen.
Vorleistungspflicht bestritten
Unverschuldet sind Mutter und Kind zwischen die Fronten zweier Versicherungen geraten. Jetzt schaltet sich Daniel Schilliger, Rechtsanwalt des Invalidenverbandes Procap, in den Fall ein. Er stellt fest: «Bis die Rechtsfrage geklärt ist, muss die Krankenkasse zahlen.» Diese sogenannte Vorleistungspflicht soll laut des Rechtsanwalts verhindern, dass solche Streitigkeiten auf dem Buckel von behinderten Kindern ausgetragen werden.
Trotz der gesetzlich geregelten Vorleistungspflicht der Krankenkasse will die KPT nicht zahlen. Sie sagt, die Vorleistungspflicht gelte nur in strittigen Fällen. Für Lea aber sei ohne Zweifel die IV zuständig. Stefanie Mäder versteht das Vorgehen der Krankenkasse nicht: «Sie nehmen uns die ganze Existenz – und es ist ein Kind, das darunter leidet.»
Nach der Intervention von «Kassensturz» zahlt die KPT die Spitex-Rechnungen bis Ende September. Mäder bleibt also nicht auf Schulden von 10'000 Franken sitzen. Eine Stiftung kommt bis Februar für die Kinderspitex auf. Wie es weitergeht, ist unklar.