Karin Hässig stillt ihren zweieinhalb Monate alten Sohn Noa. Doch das ist schmerzhaft: Noa saugt sehr stark und verletzt dabei ihre Brustwarzen. Im Fachgeschäft Mac Baby in Biel sucht sie nach einer Milchpumpe, damit kann sie ihre Brüste schonen. Sie entscheidet sich für ein einfaches, handbetriebenes Modell. Kosten: 109 Franken. Karin Hässig ist überzeugt, die Pumpe ist für sie ein doppelter Gewinn: «Einerseits für die wunden Brustwarzen und andererseits für meine Flexibilität, so kann mein Mann auch mal alleine auf Noa aufpassen und ihm den Schoppen geben.»
Falscher Kaufort
Das Modell dieser Handpumpe ist zum gleichen Preis auch in Apotheken und Fachgeschäften erhältlich. Karin Hässig pumpt die Milch ab und füttert Noa mit der Flasche. Es geht wunderbar, ohne Schmerzen. Was sie auch freut: Krankenkassen übernehmen einen Teil der Kosten von solchen Pumpen. Doch dann folgt die grosse Enttäuschung: Ihre Kasse, die Progrès, bezahlt nicht. Der Grund: Hässigs haben die Pumpe am falschen Ort gekauft. Die Ladenkette Mac Baby sei kein anerkannter Leistungserbringer wie zum Beispiel Apotheken oder Spitäler.
Völlig unverständlich für die jungen Eltern. Vor allem, weil sie dachten, sie hätten kostenbewusst eingekauft. Karin Hässig: «Ich finde das knauserig von der Progrès, da wir die günstigste Variante in Form einer Handpumpe gewählt haben und nicht eine elektrische gemietet, was um ein Vielfaches teurer wäre.»
Tatsächlich: Das Gesetz legt in der sogenannten Mittel- und Gegenständeliste fest: Wer eine manuelle Pumpe im richtigen Geschäft kauft, erhält 30.60 Franken daran bezahlt. Wer eine elektrische mietet, erhält 2 Franken Miete pro Tag – plus Grundgebühr und Zubehör. Das wird massiv teurer. 30.60 Franken müssen Kassen an eine mechanische Pumpe bezahlen. Elektrische Pumpen hingegen dürfen Mütter nur mieten. Die Miete kostet Kassen während einer durchschnittlichen Stillzeit von 31 Wochen 457 Franken. So will es das Gesetz.
Zuständig für die Liste für Mittel und Gegenstände ist das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Doch die Verantwortlichen wollen vor der Kamera keine Stellung nehmen. Das BAG schreibt: Wer mit der Liste nicht einverstanden sei, könne eine Änderung beantragen.
Nicht verpflichtet
Die Krankenkasse Progrès ist eine Tochter der Helsanagruppe. Helsana sagt, Mac-Baby-Geschäfte seien laut Gesetz keine anerkannten Leistungserbringer wie Hebammen oder Apotheken. Helsana-Sprecher Rob Hartmans: «Wir dürfen das nicht bezahlen. Sonst würden wir gegen die Vorschriften verstossen.» Mac Baby werde vom BAG nicht als Leistungsbringer anerkannt. «Weil das so ist, dürfen wir das nicht vergüten. Selbst wenn es sich um ein Produkt handelt, das medizinisch und therapeutisch Sinn macht», sagt Hartmans.
Familie Hässig ärgert sich: In diesem Fall wird belohnt, wer teure Leistungen in Anspruch nimmt und bestraft, wer – wie sie – preisbewusst handelt. Helsana will nach eigenen Angaben im Fall der Familie Hässig nun prüfen, ob im Rahmen der freiwilligen Zusatzversicherungen ihnen ein Beitrag vergütet werden kann.