Der TCS organisiert seit drei Jahren Rückführungen seiner im Ausland erkrankten Versicherten mit einem eigenen Ärzteteam in Genf. Früher machte die Rega solche medizinischen Abklärungen im Auftrag des Touring Clubs.
Doch nun verfügt dieser über eine eigene Ambulanzflotte mit Helikoptern und einem Jet. Der grösste Reiseversicherung der Schweiz verspricht den rund 700‘000 Besitzern des ETI Schutzbriefes «erstklassige Hilfe im Notfall».
Wäre die Patientin bereits am zweiten Tag zurückgeflogen worden, dann hätte man sie hier durch erfahrene Ärzte untersuchen und behandeln können. Es hätte eine Chance bestanden, dass sie heute noch leben würde
Herzstillstand in Hurghada
Schon 2012 hat «Kassensturz» über Probleme beim TCS berichtet
Ein zynischer Werbeslogan, findet die Tessinerin D.P. Vor einem Jahr reiste ihre Mutter bei guter Gesundheit ans Rote Meer in die Ferien und war sicher, mit dem ETI Schutzbrief gut versichert zu sein. In der Sendung «Kassensturz» schildert die Tochter den dramatischen Fall: Wegen starken Hustens und Erbrechens musste die 75-Jährige ins Nile Hospital in Hurghada eingeliefert werden. Im Spital verschlechterte sich ihr Zustand rapid, sie musste künstlich beatmet werden. Während der Intubation erlitt die Tessinerin einen Herzstillstand und wurde wiederbelebt.
Rückführung für TCS zu gefährlich
Die Angehörigen verständigten umgehend den TCS und baten um eine Rückführung in die Schweiz. Die Reiseversicherung wollte nicht fliegen, die Patientin sei zu instabil für einen Transport. «Der TCS sagte, es sei zu gefährlich meine Mutter zu fliegen, weil sie künstlich beatmet werde», erinnert sich die Tochter. Einer solchen Aussage widerspricht Professor Heinz Zimmermann.
Der langjährige Notfallmediziner und Chefarzt berät das Inselspital Bern heute als Expert Consultant. «Die Patientin musste intubiert und anschliessend reanimiert werden, das sind aber keine Gründe, dass sie nicht hätte zurückgeführt werden können», sagt Zimmermann. Der TCS erwidert: «Für den TCS ist eine Intubation allein kein Hinderungsgrund. Die Ambulanzjets sind mit den entsprechenden Beatmungsgeräten ausgerüstet.» Doch die Patientin sei nicht transportfähig gewesen.
Service:
Schlechte Versorgung im Spital
Am fünften Spitaltag reiste die besorgte Tochter selber nach Ägypten. Nicht nur die hygienischen Zustände im Spital in Hurghada schockierten sie: «Niemand hatte Zeit für meine Mutter. Sie hatte Durst. Sie erhielt keine Schmerzmedikamente. Sie konnte nicht schlafen. Das Neonlicht war permanent an. Es war laut.»
Die Mutter konnte wegen des Beatmungsschlauches nicht sprechen, sie schrieb ihrer Tochter Zettel: «Ich habe starke Schmerzen» - «Ich kann nicht atmen» - «Wann kommt das Flugzeug?» Die Tochter bat den TCS um Rückführung.
Bei Rückführung Recht auf Schweizer Standard
Eine Schweizer Reiseversicherung muss die medizinische Qualität des ausländischen Spitals bei einem Rückführungsentscheid berücksichtigen, sagt Rechtsprofessor Ueli Kieser. Für die Beurteilung der Situation gälte der hohe Schweizer Standard: «Wir haben in der Schweiz ein qualitativ hochstehendes Gesundheitssystem. Und was der TCS entscheidet, muss er nach unserem Schweizer Standard ausrichten.»
Niemand hatte Zeit für meine Mutter. Sie hatte Durst. Sie erhielt keine Schmerzmedikamente. Sie konnte nicht schlafen. Das Neonlicht war permanent an.
Nicht transportfähig für den TCS
Der TCS nimmt schriftlich Stellung. Er schreibt: «Der TCS wollte die Patientin im Januar 2013 immer repatriieren. In der Zeit als der TCS verantwortlich war, war der medizinische Zustand der Patientin nach zwei Herz-/Kreislaufstillständen äusserst prekär, und es war aus medizinischer Sicht wahrscheinlich, dass die Patientin den Transport in die Schweiz nicht überleben würde, was dann leider auch geschah.»
Transportfähig für die Rega
Ihre Mutter war nicht nur beim TCS versichert, sondern auch Gönnerin der Rega. Als der TCS nicht fliegen wollte, verständigte D.P. die Rettungsflugwacht. Diese entschied innert Stunden, die Patientin sei transportfähig, ein Rettungsflug sei nötig aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung vor Ort. In der Nacht vom Freitag auf den Samstag verschlechterte sich der Zustand der Kranken massiv. Die Patientin lag nun seit einer Woche in Ägypten im Spital.
Schlecht versorgte Patientin
Am Samstag fanden die Rega-Ärzte die Patientin in kritischem Zustand vor. «Ungenügende medizinische Möglichkeiten vor Ort», heisst es im Bericht der Rega, der «Kassensturz» vorliegt und weiter: «Entschluss des Teams, die Patientin auf jeden Fall mitzunehmen, da sie im Spital nicht weiter adäquat therapiert werden wird.»
Noch vor Abflug Richtung Heimat starb die 75-Jährige im Jet der Rega an einem Herzlungenversagen. Stunden zuvor schrieb sie ihrer Tochter: «Es ist zu spät.»
Schneller Rückflug hätte Überlebenschance erhöht
Notfallmediziner Professor Zimmermann kommt zum Schluss: «Wäre die Patientin bereits nach der Intubation und der Reanimation am zweiten Tag zurückgeflogen worden, dann hätte man sie hier durch erfahrene Ärzte untersuchen und behandeln können. Es hätte eine Chance bestanden, dass sie heute noch leben würde.»
Stellungnahme des TCS
«Im ‹Kassensturz›-Beitrag vom 4. Februar 2014 sowie im obenstehenden Artikel wird der Eindruck erweckt, der TCS habe die Repatriierung einer Patientin verschleppt. Sein Verhalten sei die Ursache für das Versterben der Patientin. Dieser Eindruck ist gemäss TCS falsch. Der TCS hält fest:
Bereits weniger als 24 Stunden nach dem ersten Kontakt mit dem TCS hatte die Tochter der Patientin veranlasst, dass der TCS den Fall wieder abschliesst. Sie erklärte, die Krankenversicherung der Patientin sorge für die Rückführung. Der TCS könne das Dossier schliessen (die entsprechende Audioaufzeichnung liegt vor). Der TCS konnte am von Dr. Zimmermann im Interview erwähnten zweiten Tag (am zweiten Tag ‹hätte eine Chance bestanden, dass sie heute noch leben würde›) keine Rückführung machen.
Der TCS wollte nach Wiederaufnahme des Mandates die Patientin zurückführen. Ihr Zustand wurde jedoch aufgrund der Unterlagen aus dem ägyptischen Spital und der Rücksprache mit dem dortigen Arzt nach zwei Herz-Kreislaufstillständen als zu instabil für einen Rückflug beurteilt. Es war aus medizinischer Sicht zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich, dass die Patientin den Transport in die Schweiz nicht überleben würde.»