Die Krankenkassen werben eifrig um neue Versicherte. Doch sie tricksen: Junge und gesunde Versicherte sind ihnen lieber als alte und kranke. Der junge Student Ralph Ruch und die Rentnerin Jacqueline Portenier haben für Kassensturz telefonisch und schriftlich Offerten der 15 grössten Krankenkassen eingeholt. Dabei mussten sie sich allerlei anhören.
Unerlaubte Gesundheitsfragen
Trick 1: Die Kassen stellen unerlaubte Gesundheitsfragen. Die Groupe Mutuel stellt Frau Portenier Fragen nach dem Gesundheitszustand. Doch das ist in der Grundversicherung nicht erlaubt. Die Groupe Mutuel schreibt: "Diese Nachfrage dient dazu, den Kunden bei er Wahl seiner Franchise zu beraten. Ein Interessent, der recht sicher ist, nächstes Jahr keine medizinischen Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen, kann mit einer Wahlfranchise einige, unter Umständen hunderte von Franken pro Jahr einsparen."
Gute Risiken
Ein weiterer Kassentrick: Die Billigkassen von grossen Krankenkassen wollen nur gute Risiken aufnehmen. Jacqueline Portenier ruft für Kassensturz für eine Offerte bei der Progrès an. Sie kennt diese Kasse nicht. Die Kundenberaterin sagt am Telefon, die 85Jährige sei ja schon bei ihnen versichert. Frau Portenier sagt, nein, sie sei bei der Helsana. Sie weiss nicht, dass ihre Krankenkasse Helsana mit der Progrès eine günstige Tochtergesellschaft hat. Bei dieser müsste die Rentnerin viel weniger bezahlen. Immer mehr grosse Kassen führen solche Billigkassen: Die Visana hat die Billigkasse Sana24, die CSS die Billigkasse Arcosana. Diese Billigkassen weben gezielt um junge Versicherte und sind viel günstiger als ihre Mutterkassen. Dass die Prämien bei derselben Kasse verschieden hoch sein können, hat auch Cornelia Sutter erfahren müssen: Zweimal rief sie bei der Groupe Mutuel an und bestellte eine Offerte für ihren Sohn. Beim ersten Mal gab sie an, ihr Sohn sei in ärztlicher Behandlung. Die Groupe Mutuel offerierte eine hohe Prämie von 276 Franken. Frau Sutter rief nochmals an und sagte, ihr Sohn sei gesund - und siehe da: Die Prämie beträgt nur noch 236 Franken. Wie kommt es zu den unterschiedlich hohen Prämienangaben? Die Groupe Mutuel ist ein Konglomerat von 13 Krankenkassen. Einmal bot sie Frau Sutter die Prämie der teuren CMBB an, einmal die Prämie der günstigen Caisse Vaudoise. So versucht sie, schlechte Risiken abzuschrecken. Die Groupe Mutuel schreibt zu diesem Fall: "Da es sich lediglich um telefonische Anfragen handelt, haben unsere Nachforschungen intern keine Ergebnisse gebracht. Es ist nicht vollständig auszuschliessen, dass bei der Auskunft ein Versehen vorliegt."
Einfache Offertenanfrage?
Die Kassen tricksen auch auf ihren Internetseiten und wimmeln schlechte Risiken ab. Kassensturz testete die Websites der grossen Krankenkassen und bestellt übers Internet Offerten. Vorbildlich: Bei einigen Kassen wie Helsana, Concordia oder Assura kann man den Versicherungsantrag direkt herunterladen, selber ausdrucken und sich so einfach anmelden. Doch einige Kassen behandeln junge und alte Versicherte unterschiedlich. Kassensturz findet heraus: Die Krankenkasse Philos diskriminiert alte Versicherte. Nur junge können den Antrag online ausfüllen und ausdrucken. Alte müssen sich die Offerte per Post zustellen lassen. Philos schreibt dazu: "Dieser Unterschied existiert, weil in de letzten Jahren Pflegeheime viele ihrer Bewohner via Internet zur Aufnahme angemeldet haben. Dies führte zu massiven Prämienerhöhungen in den betroffenen Regionen." Auch bei Wincare können nur junge einen Online-Abschluss machen. Die Wincare will das Online-System nun anpassen.
Grosser Aufwand für Zusatzversicherung?
Ein weiterer Trick: Schlechte Risiken mit Zusatzversicherungen abwimmeln. Rentnerin Portenier wollte bei der Swica eine Offerte für die Grundversicherung bestellen. Die Kundenberaterin fragte sie am Telefon, ob sie bei der anderen Kasse noch Zusatzversicherungen habe und kam zum Schluss, es sei für die Interessentin ein "grosser administrativer Aufwand, wenn Sie zwei Krankenversicherer haben." Die Swica sagt, dieses einzelne Gespräch sei nicht repräsentativ. Es gehöre zur Aufgabe des Kundendienstes, die Vor- und Nachteile einer getrennten Versicherung aufzuzeigen.
Auch ein Trick: Die Kassen vertrödeln die Offerten absichtlich. Die zwei Testpersonen haben bei den 15 grössten Kassen Offerten bestellt. Doch nicht alle Kassen haben beiden Testern die gewünschte Offerte geschickt: Jacqueline Portenier wartet bis heute auf die Offerten der Groupe Mutuel, EGK und Assura.