«Falschberatungen im Nachhinein zu rekonstruieren, ist leider oft ein Ding der Unmöglichkeit. Kaum ein Berater wird einen solchen Fehler zugestehen», heisst es im Jahresbericht 2002 der Ombudsstelle der Privatversicherung zum wiederholten mal.
Auch auf der Zuschauer-Redaktion des «Kassensturz» häufen sich Fälle von Leuten, die von Versicherungsagenten schlecht beraten wurden. «Kassensturz» testete Vorsorgeberater mit der versteckten Kamera.
Die Testperson ist 32 Jahre alt, ledig, von Beruf Buchhändlerin und verdient 4200 Franken brutto. In zwei bis drei Jahren möchte sie Kinder haben und dann eine Babypause einlegen.
Für Vorsorge-Experte Stefan Thurnherr vom Vermögenszentrum ein klarer Fall: «Ich würde ihr ein reines Dritte-Säule-Sparen empfehlen. Dadurch fixiert sie sich nicht und kann aber von den Vorteilen profitieren. Auf keinen Fall würde ich ihr eine Kombination mit einer Lebensversicherung empfehlen.
Erstens braucht sie keine, da sie keine Versorgerpflicht hat und zweiten geht sie mit der Lebensversicherung eine langfristige Verpflichtung ein. Bei ihrem Budget ist es zweifelhaft, ob sie das durchhalten kann», meint der Experte.
Die Kandidaten: der Allgemeine Wirtschaftsdienst AWD, die Zürich Versicherung, die Winterthur, die Rentenanstalt, die Unabhängige Versicherungs-Beratung UVB, die First Insurance Contact AG sowie WNB Finanzanlagen.
«Kassensturz» hörte im Nebenraum mit
«Kassensturz» wollte wissen, ob die sieben Finanz- und Versicherungsagenten das Richtige, nämlich ein Sparkonto in der Dritten Säule ohne Lebensversicherung, empfehlen. Und: Achten sie auf das Budget? Oder verkaufen sie eine Lebensversicherung?
Der Berater von AWD berät die Testkundin umfassend und interessiert sich auch für deren Zukunftspläne. Er will der Kundin beim ersten Gespräch nichts verkaufen, sondern zuerst ihr Budget unter die Lupen nehmen und prüfen, ob sie bei Invalidität genügend versichert ist. Das Urteil des Experten: «Das war eine Finanzplanung mit den entsprechenden Unterlagen, die auch den Namen Finanzberatung verdient», kommentiert Stefan Thurnherr.
Ungeeignete Offerten
Die Vertreter der Zürich, Winterthur und Rentenanstalt bieten eine ausführliche Beratung. Nach dem Budget der Kundin fragen sie allerdings nicht. Und ihre Offerten sind für die Testkundin ungeeignet: Sparen mit überflüssiger Lebensversicherung. Das kostet unnötig Geld. Kein Kommentar dazu von den drei Versicherungen.
Der Vertreter der Unabhängigen Versicherungs-Beratung UVB erklärt Vor- und Nachteile von verschiedenen Policen und drängt die Kundin nicht zum Vertragsabschluss. Das ist positiv. Doch bei den Fachkenntnissen des Beraters hapert es. Der UVB-Vertreter gesteht Fehler ein.
Mangelhaft war die Beratung der First Insurance Contact AG: Die Beraterin bietet ihrer Kundin eine Fondspolice an. Eine riskante Aktien-Anlage mit Lebensversicherung. Die Risiken an der Börse spielt die Beraterin herunter, und sie empfiehlt der Testkundin eine unnötige Lebensversicherung mit einem hohen Todesfallkapital.
Agent füllt Formular falsch aus
Fazit des Experten: «Es war ein reines Verkaufsgespräch für ein Produkt, das vor allem eines bringt, nämlich Provision dem Verkäufer», konstatiert Thurnherr. Mit dem Abschluss einer solchen Police kassiert die First rund 3500 Franken Provision. Die First will zu ihrer schlechten Beratung nichts sagen.
Am schlechtesten schnitt der Mann der WNB Finanzanlagen ab: Er empfiehlt seiner Kundin eine riskante Fondspolice und spricht trotz Börsenkrise von neun Prozent Rendite. Den Vertrag hat er griffbereit. Doch er macht kapitale Fehler: Den Gesundheitsbogen füllt der Vertreter nicht korrekt aus. Im Schadensfall kann das für die Kundin verheerende Folgen haben.
Das ist nicht alles: Nach Abschluss heuert der WNB-Vertreter die Testkundin gleich als Finanzberaterin an - obwohl sie davon nichts versteht. WNB verzichtet auf eine Stellungnahme.