Anna Katharina Stöcklin wollte ihrem Enkel einen ihrer Teppiche schenken – natürlich frisch gereinigt. Sie wendet sich deshalb an die «Teppich Galerie Berger». Berger überredet die 93-jährige Seniorin, nicht nur einen Teppich reinigen zu lassen, sondern gleich vier – plus Reparatur der Fransen. Kostenpunkt: 7000 Franken.
Anna Katharina Stöcklin willigt ein. Als sie die Teppiche zurückerhält, sieht sie nur die geflickten Fransen. Erst später fällt ihr auf, dass die zwei Teppiche alles andere als gereinigt sind. Immerhin senkt Berger den Preis auf 5200 Franken, nachdem Stöcklins Tochter reklamiert hat.
Bis zum 16-Fachen über dem Marktpreis
Diese Summe ist noch bescheiden. Es gibt Fälle, wo sich die Reinigungs- und Reparaturkosten auf bis zu 100'000 Franken belaufen. Oft gibt es darauf Scheinrabatte, so dass «nur» noch mehrere zehntausend Franken übrigbleiben. Diese Preise liegen oft immer noch um das 10- bis 16-Fache über dem üblichen Marktpreis.
Der Kundenfang läuft nach Schema F: Die Teppichreiniger werben mit Briefkastenreklame oder Beilagen in Zeitungen. Die meisten Angebote sind sich zum Verwechseln ähnlich und locken mit satten Rabatten, Gutscheinen oder Sonderaktionen. Nach einem Anruf erscheinen die «Teppichspezialisten» oft noch am gleichen Tag. Häufig überreden sie ihre meist ältere Kundschaft zur Reinigung gleich mehrerer Teppiche und zu Ausbesserungsarbeiten zu Wucherpreisen. Zahlbar sind die Arbeiten in bar, sonst drohen Aufpreise von bis zu 30 Prozent. Oft gibt es weder Offerten noch Rechnungen. Stornieren ist meist am Tag nach dem Auftrag schon nicht mehr möglich.
Machenschaften krimineller Clans
Die dubiosen Methoden sind so weit verbreitet, dass Bruno Meier, Präsident der Interessengemeinschaft Orientteppiche und Gutachter für Staatsanwaltschaften, fast täglich damit konfrontiert ist. Hinter den aktuellen Fällen stecken offenbar alte Bekannte: acht bis neun Familien, bei denen es sich um deutsche Staatsbürger mit Roma-Hintergrund handeln soll und die laut einem Insider und zwei weiteren Quellen zur Leverkusener Grossfamilie Goman gehören sollen. Einzelne Familienmitglieder des Clans wurden in Deutschland bereits 2015 wegen Teppich- und Betrugsdelikten im grossen Stil angeklagt.
Tipps
So schützen Sie sich davor, auf Teppichbetrüger hereinzufallen:
- Am Wichtigsten: Lassen Sie sich nie auf eine Barzahlung ein.
- Lassen Sie sich nicht überreden, mehr reinigen und reparieren zu lassen als geplant.
- Typisch: Die Teppichbetrüger erscheinen oft noch am Tag des Anrufs. Sie loben die Teppiche in den Himmel und geben astronomische Preise an, die man auf dem Markt für sie erzielen könnte, wenn die Teppiche gereinigt und geflickt würden.