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Wohnen Fiese Masche: Falscher Referenzzins im Mietvertrag

Einige Vermieter werden sehr kreativ, wenn eine Mietzinssenkung ansteht. Die «AZ Immobilien und Verwaltungen» in Zürich zeigt sich besonders dreist. Sie notiert im Mietvertrag einen falschen Referenzzinssatz. Mieter sollen so erst gar nicht auf die Idee kommen, eine Mietzinssenkung zu beantragen.

Einen solchen Mietvertrag hat die «Kassensturz»-Redaktion auch noch nicht gesehen. Zugeschickt hat ihn ein Bewerber für eine Mietwohnung in der Stadt Zürich. Mit der Verwaltung war soweit alles geklärt, er hätte nur noch den Vertrag unterschreiben müssen. Dazu ist es aber nicht gekommen.

Verwaltung will Fehler nicht korrigieren

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Im Vertrag mit Mietbeginn 1.7.2013 entdeckt er einen vermeintlich kleinen Fehler. Statt korrekt mit 2,25 Prozent ist der Referenzzinssatz mit 2,0 Prozent angegeben. Und das gleich zwei Mal. Der zukünftige Mieter bittet die Verwaltung, die Fehler zu korrigieren. Er staunt nicht schlecht, als die «AZ Immobilien und Verwaltungen» der Bitte nicht nachkommen will. Die Wohnung sei nur so zu haben oder gar nicht, wird ihm am Telefon beschieden.

Absicht ist offenkundig: Mietzins-Senkung abwenden

Es ist also kein Druckfehler. Für den Bewerber liegt auf der Hand, warum die Verwaltung eine falschen Zins angibt: «So will sie eine Mietzinssenkung verhindern, sollte der Referenzzinssatz sinken.» Tatsächlich profitieren Mieter von einem sinkenden Referenzzinssatz. Mit der aktuellen Senkung auf 2 Prozent können Mieter eine Miet-Reduktion von rund 3 Prozent geltend machen.

Mieter wird über den Tisch gezogen

Tipps & Musterbrief

Für Felicitas Huggenberger, Geschäftsführerin des Mieterinnen- und Mieterverbandes Zürich, ist ein solcher Vertrag stossend: «Hier wird dem Mieter ein falscher Referenzzinssatz untergejubelt.» Mieter wüssten bei Vertragsunterzeichnung in der Regel nicht, wie hoch der aktuelle Referenzzinssatz sei. «Wenn der Zinssatz dann sinkt und im Vertrag steht eine falsche Zahl, merken die Mieter nicht, dass sie Anspruch auf eine Mietzinssenkung hätten. Und das ist besonders fies vom Vermieter.»

Seltsame Begründung der Verwaltung

Gegenüber «Kassensturz» verteidig die «AZ Immobilien und Verwaltungen» ihre Praxis. Der Zinssatz im Vertrag sei richtig: «Da dieser tiefer ist als der aktuelle Satz, haben wir dies in den besonderen Vereinbarungen zum Mietvertrag auf der Rückseite nochmals explizit erwähnt.», schreibt der Geschäftsführer. Man habe von Anfang an mit offenen Karten gespielt. Und noch erstaunlicher: «Dieses Vorgehen entspricht der rechtskonformen Praxis und verstösst nicht gegen geltendes Recht und wird von den Gerichten geschützt.»

Mietgericht schützt solche Praktiken nicht

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Das Zürcher Mietgericht hat davon noch nie etwas gehört. Gegenüber «Kassensturz» sagt der leitenden Gerichtsschreiber: «Es stimmt nicht, dass wir den falschen Zinssatz schützen würden.»

Über die abenteuerliche Argumentation der Verwaltung schüttelt auch Ansgar Gmür, Direktor des Hauseigentümerverbandes HEV, nur den Kopf. «Juristisch ist es klar geregelt: Man muss den bestehenden Referenzzinssatz nehmen.» Und: «Ein solches Verhalten ist gegenüber den Mietern nicht fair.»

Mieter hätte trotz allem unterschreiben können

Das Verhalten der Verwaltung war für den Mieter schlicht inakzeptabel. Er hat sich eine andere Wohnung gesucht. Das aber wäre nicht nötig gewesen: «Es gilt nur der offizielle Referenzzinssatz. Egal, was in einem Vertrag steht», sagt Cipriano Alvarez vom Bundesamt für Wohnungswesen BWO. «Der Mieter hätte den Vertrag getrost unterschreiben und jetzt eine Mietzinsreduktion verlangen können». Nur: Wer, ausser einem Mietrechtsexperten, weiss das schon?

Referenzzinssatz
Legende: SRF

Referenzzinssatz und Anspruch auf Mietreduktion

Der Referenzzinssatz ist für Mieter und Vermieter bindend. Sinkt dieser, haben Mieter Anspruch auf eine Mietreduktion. Allerdings können die Vermieter ihrerseits Kosten geltend machen, erklärt Ansgar Gmür vom Hauseigentümerverband HEV: «Zum Beispiel 40 Prozent der Teuerung, allgemeine Kostensteigerungen oder Investitionen wie eine Energiesanierung.»

Der Referenzzinssatz wird berechnet aus der Summe aller bestehenden Hypothekarverträge, welche Schweizer Banken vergeben haben. Er wird alle drei Monate aktualisiert. Seit der Einführung vor fünf Jahren ist der Referenzzinssatz von 3.5 Prozent auf aktuell 2 Prozent gesunken. Das Bundesamt für Wohnungswesen geht davon aus, dass der Satz mindestens zwei Jahre auf diesem Niveau verharren wird.

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