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Wohnen Überhöhte Mieten: Vermieter nutzen Gesetzeslücken aus

Um sechs Prozent steigen Mieten im Schnitt bei jedem Mieterwechsel. In Einzelfällen schlagen die Vermieter noch viel mehr auf. Die Unterschiede zwischen den Kantonen sind gross. Das belegen erstmals erhobene Zahlen des Immobilienbüros IAZI. Gegen zu hohe Mieten müssen sich Mieter aber mühsam wehren.

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In der Schweiz herrscht Wohnungsnot. Nicht einmal ein Prozent aller Wohnungen sind frei. Viele Vermieter schlagen daraus Profit und treiben die Miete beim Mieterwechsel in die Höhe. Innerhalb von zehn Jahren haben sich die Aufschläge bei Mieterwechseln verdreifacht. Das hat Donato Scognamiglio vom Immobilienberater IAZI errechnet.

Der Markt ist ausgetrocknet

Mietzinserhöhung im Kantonsvergleich
Legende: Mietzinserhöhung im Kantonsvergleich SRF

Schweizweit erhöhten Vermieter die Mieten bei jedem Mieterwechsel von unter zwei Prozent im Schnitt auf sechs Prozent. Sanierungen sind nicht der Grund für die Erhöhungen, es sei vielmehr der ausgetrocknete Markt, sagt Donato Scognamiglio: «In den Boomregionen gibt es immer weniger Platz. Jeder will dort wohnen.» Entsprechend grosse Unterschiede gibt es zwischen den Kantonen.

In einer Boomregion wohnt Thomas Rehsteiner. In einer Vierzimmer-Wohnung in Zürich-Wollishofen. Doch nach 22 Jahren muss er seine Wohnung verlassen. Denn der Eigentümer Balintra, ein Immobilienfonds der UBS, will die ganze Siedlung abreissen. Und an der Hanglage mit Blick auf den Zürichsee teurere, luxuriösere Wohnungen bauen.

Für viele angestammte Mieter sind die neuen Wohnungen nicht bezahlbar. Seit Jahren steigen die Mieten im Quartier. Eine Wohnung, für die Rehsteiner 1600 Franken bezahlt, kostet in der Nachbarschaft schon 2400 Franken: «Heute müsste ich bei einer vergleichbaren Wohnung mit dem doppelten Zins rechnen», sagt Rehsteiner.

Mieter am kürzeren Hebel

Die UBS erklärt, man habe Thomas Rehsteiner vergleichbare Wohnungen angeboten. Und sie schreibt: «Bei Mieterwechsel kann der Vermieter den Mietzins aufgrund Quartier- und Ortsüblichkeit den Marktverhältnissen anpassen.» Die Miete, welche die Bewohner zahlen, soll die Kosten des Vermieters decken und ihm eine Rendite ermöglichen.

Viele Vermieter halten sich aber nicht wie vorgeschrieben an die Höhe der Kosten, kritisiert Felicitas Huggenberger vom Mieterverband Zürich. Denn es gebe klare Regeln: «Das Gesetz verbietet missbräuchliche Mietzinsen und übersetzte Renditen. Nur wird das zum Teil nicht eingehalten.»

Mieter können sich wehren, sagt Huggenberger. Ob eine Mieterhöhung gesetzlich zulässig ist, sei für den Mieter aber schwer feststellbar, selbst vor Gericht: «Der Mieter muss im Prozess beweisen, dass der Mietzins missbräuchlich ist. Dafür fehlen ihm die Unterlagen. Er ist also am kürzeren Hebel.»

Mieten hinken Zinsen hinterher

Bei bestehenden Mieten ist die Situation klarer. Die Entwicklung der Mieten ist an die Höhe der Kosten gekoppelt. Insbesondere an den sogenannten Referenzzinssatz. Das ist ein Durchschnittszins aller laufenden Hypothekarverträge in der Schweiz.

Das Bundesamt für Wohnungswesen gibt alle drei Monate die neue Höhe des Referenzzinssatzes bekannt. Derzeit liegt er bei 3%, deutlich über dem aktuellen Zinsniveau. Cipriano Alvarez, Leiter Recht des BWO, erklärt, dass der Referenzzinssatz der aktuellen Zinsentwicklung hinterherhinkt.

«Es gibt natürlich Verträge, die sind vor 5 Jahren oder 10 Jahren zu höheren Zinssätzen abgeschlossen worden.» Diese Verträge sind alle noch im Durchschnitt enthalten. Derselbe Effekt komme zum Tragen, wenn die Zinsen wieder steigen. «Dann werden der Referenzzinssatz und damit auch die Mieten nicht sofort mit den Zinsen steigen.»

Kampf um sinkende Mieten

Mietzinsentwicklung ab 1993
Legende: Mietzinsentwicklung ab 1993 SRF

Das Problem: Viele Vermieter geben Senkungen nicht automatisch weiter. Thomas Rehsteiner musste deshalb mehrmals mit seiner Verwaltung streiten. «Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich jede Hypozinssenkung geltend machen muss. Die Erhöhung jedoch kam automatisch.»

Seit 1993 sind die Hypozinsen deutlich gesunken. Im Vergleich dazu sind die bestehenden Mieten ohne Mieterwechsel praktisch gleich geblieben. Ein Grund: Die Vermieter dürfen die Hypozins-Senkung mit der Teuerung und gestiegenen Unterhaltskosten verrechnen. Der Durchschnitt aller Mieten einschliesslich Mieterwechsel ist seit 1993 sogar deutlich angestiegen.

Gegen zu hohe Mieten müssen sich Mieter mühsam wehren. Der Mieterverband Zürich fordert nun in zwei kantonalen Initiativen bessere Regelungen für Mieter: Die eine fordert ein gratis Mietgericht. Die andere will den Vermieter zwingen, den bisherigen Mietzins offenzulegen, wenn die Wohnung den Mieter wechselt.

Das wirke präventiv, sagt Felicitas Huggenberger. «DieVermieter müssen zweimal darüber nachdenken, ob sie dem neuen Mieter sagen wollen: Wir nehmen dich aus, weil der Vormieter vielleicht die Hälfte oder einen Drittel weniger bezahlt hat.» Der Hauseigentümerverband wollte gegenüber Kassensturz keine Stellung nehmen.

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