«Manchmal stand ich kurz davor, zu weinen.» Nadine Hoch erinnert sich ungern an die zwei vergangenen Monate. Sie wohnt im Längi-Quartier in der Basler Agglomerations-Gemeinde Pratteln. Die Mehrfamilien-Häuser in der Längi stammen aus den 1950er und 60er Jahren.
Sie wurden von Firmen wie der damaligen Ciba-Geigy günstig und schnell für die Arbeiter gebaut. Heute sind viele Wohnblocks renovationsbedürftig. Zum Beispiel das Mehrfamilienhaus in dem Nadine Hoch mit ihrem Freund Kevin Lanz lebt.
Im Haus mussten verrottete Abwasserleitungen ersetzt werden. Betroffen waren 14 Wohnungen. Anfang Dezember stellte die Bauleitung das Wasser ab. Die Mieter konnten weder abwaschen noch Duschen. Und: Sie mussten ihr Geschäft in Toi-Toi-Häuschen draussen auf der Strasse verrichten. Angekündigtes Ende der Sanierung war der 19. Dezember.
4 Toiletten für 14 Wohnungen
Doch beim Umbau lief Einiges schief. Für Hoch und Lanz dauerte das Toiletten-Provisorium nicht zweieinhalb Wochen sondern zwei Monate. «Sie können es sich vorstellen wie das ist, wenn Sie für jedes Geschäft vier Stockwerke runterlaufen müssen. Und wenn Sie unten ankommen sind, ist noch alles verkotet», klagt Kevin Lanz «Kassensturz».
Tatsächlich waren die Toiletten zeitweilen verschmutz, in der Dusche hatte es Urin. Und «als es zu schneien begann an Weihnachten waren WCs eingefroren und verstopft», sagt Nadine Hoch. «Ich verstehe es ja, die Bewohner mussten am Morgen auf die Toilette. Da hatte man einfach eine volle Schüssel gehabt.» Wahrscheinlich seien vier Toiletten für vierzehn Wohnungen und Bauarbeiter zu wenig gewesen.
Lanz und hoch haben sich immer wieder beim Vermieter und dem Bauunternehmen beschwert. Doch es war zwecklos. Kevin Lanz: «Nach zehnmal Telefonieren haben wir dann vielleicht jemand erreicht. Doch man wurde bloss vertröstet, nächste Woche sei alles fertig. Vier Wochen später wiederholte sich dasselbe nochmals. Zudem haben sich alle gegenseitig die Schuld gegeben. Niemand fühlte sich wirklich verantwortlich.»
Mieter müssten nur halbe Miete zahlen
Das müssen sich Mieter nicht gefallen lassen, sagt Urs Thrier, Geschäftsleiter vom Mieterinnen- und Mieterverband Baselland und Dorneck-Thierstein.
«Das ist unglaublich, was da geschehen ist. Die haben offenbar zwei Monate gebraucht nur um die Leitungen zu wechseln. Das ist schon viel zu lang. Dann haben sie keine Zusammenarbeit mit den Betroffenen gesucht. Der Vermieter wäre eigentlich verpflichtet, die Beeinträchtigungen, die es beim Bauen gibt, möglichst tief zu halten. Aber dies schien hier überhaupt nicht der Fall zu sein.»
Für Mietrechts-Experte Urs Thrier ist klar: «Jetzt erwarte ich von der Verwaltung, dass sie den Mieterinnen und Mieter entgegen kommt, ihnen eine entsprechende Entschädigung zuspricht.» Für die zweimonatige Benutzung der Toi-Toi-Container vor dem Haus findet er eine Entschädigung von der Hälfte des Nettomietzinses für angemessen. Der Gestank im Schlafzimmer muss zusätzlich entschädigt werden.
Hin und Her von Eigentümer und Verwaltung
Federführend bei der Sanierung ist die Firma Raurica Bauunternehmung in Münchenstein. Raurica schreibt, Schuld an den Verzögerungen sei «ein ewiges Hin und Her zwischen Eigentümerschaft und der Verwaltung» gewesen. Man war sich viel zu lange uneinig über die Finanzierung.
Vermietet werden die Wohnungen von zehn Stockwerk-Eigentümern, die – mit einer Ausnahme - selber nicht in ihrer Eigentumswohnung leben, sondern in einem besseren Quartier. Diese Wohnungsbesitzer sind in einer Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft organisiert. Das Mandat für die Verwaltung ist in Basel bei der Contavis AG.
Kanalisations-Loch im Schlafzimmer
Contavis schreibt, sie sei für die allgemeine Verwaltung zuständig: «Die Abwicklung der Sanierung lief hingegen direkt zwischen dem Bauunternehmen Raurica und den Eigentümern aufgrund eines einstimmigen Beschlusses aller Eigentümer.»
Unbestritten ist: Bei der Sanierung fehlte eine kompetente Bauplanung. Nur so lässt sich erklären, dass es im Schlafzimmer von Nadine Hoch und Kevin Lanz einen Monat lang nach Kanalisation gestunken hat. Dort wurde nämlich ein Kanalisationsschacht während Wochen nicht verschlossen. «Es stank wirklich abartig», sagt Nadine Hoch: «Wir haben uns nicht mehr getraut, Leute in die Wohnung einzuladen.»