Alles sah so aus, als werde Sabina C. Mieterin einer Wohnung in ihrem Nachbarhaus. Nach der Trennung von ihrem Mann suchte die alleinerziehende Mutter nach einem kleineren und günstigeren Daheim. Ihr achtjähriger Sohn leidet unter einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS. «Für ihn ist es nicht gut, reisst man ihn aus seinem sozialen Umfeld», sagt Sabina C. Ideal erschien deshalb eine frei werdende Wohnung auf der gegenüberliegenden Strassenseite.
Zusage am Telefon
Sabina C. schickte das Anmeldeformular ab. Am Telefon versprach der Vermieter, ein Privatmann, der Serviceanstellten die Wohnung. Bald darauf fand sie den Mietvertrag in ihrem Briefkasten vor. Dieser war zwar vom Vermieter noch nicht unterzeichnet worden, enthielt aber folgendes Zusatzschreiben: «Sofern Sie einverstanden sind, bitte ich Sie, den Mietvertrag (...) zu unterschreiben und mir beide Exemplare zurückzusenden. Sie erhalten nachher ein gegenunterzeichnetes Exemplar zurück.» Es folgten die Abschiedsworte: «Ich freue mich auf ein gutes Mietverhältnis.»
Mutter: «diskriminierend»
Sabina C. unterschrieb und freute sich ebenso – bis sie tags darauf ein erneutes Schreiben des Vermieters erreichte, das ihr «den Boden unter den Füssen wegzog». Darin stand: «Heute habe ich nun Vorbehalte wegen dem Verhalten Ihres Sohnes erhalten, die ich vor Mietvertragsunterzeichnung mit Ihnen besprechen möchte.» Sabina C. ist fassunglos. «Es kann nicht sein, dass mir der Vermieter die Wohnung verspricht und sich danach mit dieser diskriminierenden Begründung zurückzieht.»
Vermieter: «dem Frieden zuliebe»
Sie konfrontierte den Vermieter. Er habe von den Hausbewohnern gehört, dass ihr Sohn unter ADHS leide. Besonders eine seiner Mieterinnen sei sehr lärmempfindlich, rechtfertigte er sich. Und gegenüber «Kassensturz» sagt er: «Ich kam zur Überzeugung, dass es auch für Frau C. besser ist, wenn sie nicht in dieses Haus einzieht.»
Auch ein klärendes Gespräch konnte den Vermieter nicht umstimmen: Er blieb bei seinem Enscheid.
Mündlicher Vertrag reicht
Damit verstösst er laut Experten grundlegend gegen das Mietrecht. «Ein mündlicher Vertrag reicht», sagt Felicitas Huggenberger vom Mieterverband des Kanton Zürich. Der Vermieter könne sich nicht einfach so aus dem Mietverhältnis zurückziehen. Besonders stossend findet die Anwältin auch die Begründung: «Er argumentiert mit der ADHS des Sohnes. Das sind höchst vertrauliche Daten und gehen den Vermieter nichts an.» Damit verletze er auch Persönlichkeitsrechte. Zwar darf ein Vermieter Referenzen einholen, diese sollten sich aber auf die finanzielle Situation der Mieter beschränken. Auch eine Täuschung kann der Vermieter laut Huggenberger nicht geltend machen, etwa weil Sabina C. ihm die Krankheit des Sohnes verschwieg. «Das tut nichts zur Sache, ob sie die Miete bezahlt oder nicht.»
Rechtlich hat Sabina C. Anspruch auf die Wohnung, sagt die Verteterin des Mieterverbands. Doch persönlich ist ihr die Lust vergangen, in der Nachbarschaft zu bleiben. Sie hat eine neue Wohnung gefunden, nahe der Schule ihres Sohnes.