Zum Inhalt springen

Header

Video
Aschenputtel-Effekt
Aus Puls vom 06.01.2014.
abspielen. Laufzeit 39 Sekunden.
Inhalt

Den Aschenputtel-Effekt gibt es nicht

Das Märchen von der bösen Stiefmutter ist widerlegt. Nach der Auswertung historischer Daten kommen deutsche und kanadische Wissenschaftler zur Erkenntnis, dass elterliche Fürsorge von weitaus mehr abhängt als von Blutsverwandtschaft.

Die Forscher des Max Planck Instituts in Rostock und der Universität Montreal verglichen in ihrer Studie die Sterblichkeit von Kindern in Patchwork-Familien des 17. bis 19. Jahrhunderts. Eltern behandelten demnach die Stiefkinder im Durchschnitt nur dann schlechter als ihre eigenen, wenn sie wenig Raum für ihre wirtschaftliche Entwicklung hatten. Damit sehen die Forscher den «Aschenputtel-Effekt» als widerlegt. Bisher gingen viele Forscher davon aus, dass die Fürsorge der Eltern von der biologischen Verwandtschaft abhängt. Eltern würden deshalb zwangsläufig schlechter für Stiefkinder sorgen, weil diese ihre Gene nicht verbreiten.

Die Vernachlässigung von Stiefkindern untersuchten die Forscher anhand der Sterblichkeit Tausender Kinder in der ostfriesischen Region Krummhörn, die bereits stark bevölkert war und wenig Raum für wirtschaftliche Entwicklung bot. Diese Daten verglichen sie mit Daten damals expandierender Siedlungen in der heutigen kanadischen Provinz Québec. Für beide Regionen berechneten sie, wie sich die Überlebenschancen von Kindern änderten, wenn der Vater nach dem Tod der Mutter wieder heiratete.

Verbündete oder Konkurrenten

Ergebnis: Nur in der perspektivarmen Region Krummhörn hatte die Stiefmutter einen negativen Einfluss. Dort starben die Kinder aus erster Ehe des Vaters häufiger, wenn die Stiefmutter einzog oder Halbgeschwister geboren wurden. Verlor ein Krummhörner Mädchen früh die Mutter, wuchs seine Wahrscheinlichkeit, den 15. Geburtstag nicht zu erleben, auf über das Doppelte des Risikos eines vergleichbaren Mädchens, dessen Mutter nicht starb. Heiratete der Vater danach wieder und die Stiefmutter zog ein, stieg die Sterblichkeit noch einmal ebenso stark.

Die kanadischen Halbgeschwister hingegen seien in der Expansionsphase der Besiedlung eher als Verbündete der leiblichen Kinder gesehen worden, zumal sie auch älter als diese gewesen seien. «In Quebec waren die Stiefkinder der Stiefmutter, die ja Halbgeschwister ihrer biologischen Kinder sind, eher Alliierte statt Konkurrenten. Die Stiefmütter in Québec schienen eben dies verstanden zu haben und haben sich zumindest nicht zu deren Nachteil verhalten», erklärt Studienautor Kai Willfür. In Krummhörn hingegen habe es eine starke Konkurrenz zwischen den Geschwistern um das Lebensnotwendigste gegeben.

Meistgelesene Artikel