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Genetische Vorbelastung – Was gibt uns die Familie mit?
Aus Puls vom 07.03.2016.
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Vererbbare Krankheiten Hinsehen, wenn Krankheiten in der Familie liegen

Treten Krankheiten familiär gehäuft auf, spielt meist der Faktor Vererbung mit. Auch für Volksleiden wie Herzinfarkt, Krebs, Diabetes oder Migräne findet man immer mehr Risikogene. Es lohnt sich, eine Vorbelastung ernst zu nehmen.

Volkskrankheiten wie Herzinfarkt, Diabetes oder Krebs treffen manche Familien öfter als andere. Meistens ist in solchen Fällen eine gewisse genetische Veranlagung wahrscheinlich. Die Forschung entdeckt immer mehr Risikogene, die bei häufigen Krankheiten eine Rolle spielen könnten.

Komplexe Krankheiten – schwierige Risikoabschätzung

Hunderte von Studien widmen sich den genetischen Ursachen von Herzinfarkt und Schlaganfall, von Diabetes und Demenz, von Depressionen und vielen anderen häufigen Leiden. Dabei vergleichen Genetiker riesige Datenmengen gesunder und erkrankter Menschen. Sie finden dabei immer mehr Auffälligkeiten im Erbgut, oft sind es viele kleine Abweichungen. So sind für die Migräne bis jetzt 12 auffällige Genregionen gefunden worden, für den Herzinfarkt sogar 56 Genorte.

Wo viele Gene im Spiel sind, lassen sich im Moment noch kaum exakte Rückschlüsse auf persönliche Erkrankungsrisiken ziehen, denn die genauen Zusammenhänge sind meistens noch nicht geklärt. Man weiss noch nicht genau, welchen Anteil Risikogene an einer Erkrankung haben und welchen Anteil weitere Faktoren wie Umwelteinflüsse und der Lebensstil.

Monogene Krankheiten – klare Vererbungsmuster

Gut erforscht sind die Vererbungsmuster monogener Krankheiten. Diese werden durch ein einziges fehlerhaftes Gen ausgelöst. So liegt der Cystischen Fibrose eine Genmutation auf Chromosom Nummer 7 zugrunde, der Huntington-Krankheit ein Fehler auf Chromosom Nummer 4.

Monogen ist auch die Krebsform, die die US-Schauspielerin Angelina Jolie bekannt gemacht hat: Frauen, die das BRCA1-Risikogen im Erbgut haben, erkranken mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent an Brustkrebs. Die Chance, das Gen weiter zu vererben, beträgt 50 Prozent.

Auf familiäre Häufungen achten – Massnahmen treffen

Es lohnt sich, auf eine familiäre Häufung von Volkskrankheiten zu achten und auch den Hausarzt darüber zu informieren. Dann kann man präventive Massnahmen treffen. Ein Gentest ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll und verfügbar, im Unterschied zu den monogenen Erbkrankheiten.

  • Krebs Bei einer familiären Häufung von Krebskrankheiten sind bis heute vor allem frühe und regelmässige Vorsorge-Untersuchungen zu empfehlen. Einen Gentest gibt es für bestimmte Brustkrebs-Risikogene, die auch auf Eierstock- und Prostatakrebs einen Einfluss haben können.
  • Herzinfarkt, Schlaganfall Liegen solche Krankheiten in der Familie, sollte der Hausarzt informiert werden. Medikamente oder Lebensstil-Änderungen mildern genetisch bedingte Risikofaktoren. Es gibt bis heute keinen Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Gentest.
  • Diabetes Beim Typ-2-Diabetes spielen genetische Veranlagungen eine wichtige Rolle. Das Erkrankungsrisiko ist deutlich erhöht, wenn eine genetisch eng verwandte Person (z. B. ein Elternteil oder beide Eltern) einen Typ-2-Diabetes haben. Genetisch testen kann man das bisher nicht, da noch zu wenige der vielen genetischen Risikofaktoren bekannt sind. Ein Gentest kann hingegen sinnvoll sein, um einen Diabetes Typ 3 festzustellen. Dies kann eine falsche Therapie verhindern, da die Betroffenen kein Insulin benötigen.

Typ-3-Diabetes

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Rund 90 Prozent der Diabetes-Erkrankungen entfallen auf den Typ 2 (Insulinresistenz), gut fünf Prozent auf den Typ 1 (Insulinmangel). In der Gruppe 3 werden alle anderen Ursachen zusammengefasst.

Eine genetische Fachberatung kann von jedermann in Anspruch genommen werden und wird von der Krankenkasse bezahlt. Gentests müssen von speziellen Zentren vorgenommen werden. Nur für wenige genetische Tests besteht eine generelle Erstattungspflicht der Krankenkassen.

Kann ein gesunder Lebensstil eine genetisch bedingte Krankheit verhindern?

Es kommt auf die Krankheit an. Monogene Krankheiten mit klarem Vererbungsmuster kann man in der Regel nicht verhindern, man kann aber möglicherweise bei früher Erkennung den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen.

Etwas anders sieht es für viele multifaktorielle Erkrankungen aus, bei denen neben der genetischen Veranlagung auch Umwelt und Lebensstil einen wichtigen Einfluss darauf haben, ob oder wann die Erkrankung auftritt. Eine Demenzerkrankung zum Beispiel lässt sich – wenn auch vielleicht nicht abwenden – möglicherweise hinauszögern.

Besteht eine familiäre Veranlagung für Diabetes Typ 2, kann der Lebensstil einen grossen Einfluss darauf haben, ob man erkrankt oder nicht. Weitere Beispiele sind koronare Herzkrankheiten oder bestimmte Krebserkrankungen (beispielsweise Lungenkrebs, Hautkrebs).

Wird es einmal möglich sein, defekte Gene zu reparieren?

Es gibt schon heute Verfahren, die in diese Richtung gehen. Allerdings sind sie umstritten, da neben den Chancen für die Therapie stets die Gefahr eines Missbrauchs damit verbunden ist, Stichwort: Design-Babys. Es braucht eine sehr gut durchdachte gesetzliche Regulierung, um Missbrauch zu vermeiden.

Einer der kontroversen Diskussionspunkte in diesem Zusammenhang ist auch die wichtige Frage, ob eine Gentherapie ausschliesslich dem therapierten Patienten zugute kommen oder aber auch an seine Nachkommen weitervererbt werden sollte. Letzteres würde jetzt bereits tiefgreifende Entscheidungen für zukünftige Generationen vorwegnehmen und ist daher von besonderer Brisanz.

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