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Allein gelassen mit der Geburt

Viele Mütter in der Schweiz schätzen zwar die medizinische Versorgung im Spital, fühlen sich nach der Geburt aber emotional im Stich gelassen. Dies zeigt eine Studie der Hochschule Luzern an über 1000 Frauen.

Eine Geburt ist für die meisten Eltern ein sehr bewegendes und emotionales Ereignis. «In den Tagen nach der Entbindung ist deshalb die Unterstützung von Mutter, Vater und Kind sehr wichtig», sagt Claudia Meier Magistretti vom Kompetenzzentrum Prävention und Gesundheit am Departement Soziale Arbeit der Hochschule Luzern. Aus diesem Grund wollten sie und ihr Team wissen, wie die Qualität der postnatalen Betreuung aus der Sicht der Mütter bewertet wird.

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Der emotionale Taucher nach der Geburt
aus Wissenschaftsmagazin vom 18.10.2014. Bild: Colourbox
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Medizinische Versorgung top

Für die Studie «Qualität und Lücken der nachgeburtlichen Betreuung» wurden 1055 Frauen aus der Deutschschweiz online befragt, die zwischen November 2011 und November 2012 ein Kind geboren haben. Für 65 Prozent von ihnen war es das erst Kind.

94 Prozent der Mütter gebaren im Spital, wovon rund ein Fünftel von einer Beleghebamme betreut wurde. Drei Prozent der Frauen brachten ihr Kind zu Hause zur Welt, ebenso viele entbanden in einem Geburtshaus.

Das Resultat der Studie stellt der medizinischen Versorgung nach einer Geburt ein ausgezeichnetes Zeugnis aus: 94 Prozent der befragten Frauen verleihen ihr das Prädikat «gut» bis «sehr gut». Die besten Noten verteilen dabei jeweils Frauen, die zu Hause oder in einem Geburtshaus geboren haben.

Emotionale Betreuung verbesserungswürdig

Auffällig: Ihre Zufriedenheit ist vor allem in Bezug auf die emotionale Betreuung wesentlich höher als jene der Mütter, die ihr Kind im Spital zur Welt brachten. «Der Prozess in einem Spital ist oft technisch und medizinisch. Offenbar wird dabei der Bedarf an emotionaler Unterstützung unterschätzt», vermutet Meier Magistretti.

Die Lücken in der emotionalen Betreuung von Müttern verdeutlicht eine Sonderauswertung zur nachgeburtlichen Betreuung bei perinatalem Kindstod. 2011 waren in der Deutschschweiz 229 Paare damit konfrontiert, für die Studie «Wenn die Geburt der Tod ist» wurden 22 Frauen befragt.

Die Untersuchung sei aufgrund der kleinen Zahl zwar nicht repräsentativ, trotzdem würden die Ergebnisse auf gewisse Mängel hinweisen: «Nicht alle Spitäler scheinen adäquat auf solche Situationen vorbereitet zu sein und über das dafür ausgebildete Personal zu verfügen.» So zeige die Untersuchung, dass sich zwar fast alle Frauen unmittelbar nach dem traumatischen Erlebnis emotional gut aufgefangen fühlen. Dieses Gefühl lasse jedoch sukzessive nach. Hier sei eine längere psychosoziale Betreuung der Eltern wünschenswert.

Hotline an der Frankfurter Uniklinik

Dass das Thema Wochenbettdepressionen von Fachleuten immer noch unterschätzt und auch häufig nicht richtig diagnostiziert wird, sagt auch Silvia Oddo-Sommerfeld. Sie ist leitende Psychologin in der Abteilung für Geburtshilfe der Uniklinik Frankfurt und hat dort vor kurzem eine telefonische «Wochenbettdepression-Hotline» ins Leben gerufen.

«Die Ausbildung und das Wissen um diese Symptomatik und diese Erkrankung sind nicht so gut, wie es sein sollte», ergänzt der Direktor der Klinik für Psychiatrie der Frankfurter Uni, Prof. Andreas Reif. Aus enormen Scham- und Schuldgefühlen teilten allerdings auch viele Frauen ihre Depression nicht mit. Dabei könne niemand etwas für die gut behandelbare Erkrankung.

Die deutsche Techniker Krankenkasse und der Selbsthilfeverein «Schatten & Licht» haben für Betroffene und Angehörige einen Ratgeber «Depressionen nach der Geburt» erarbeitet, der unter anderem auch einen Test zur Selbsteinschätzung enthält.

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